Eine neue Studie über die Einstellungen gegenüber österreichischen Muslimen sorgt für Gesprächsstoff. Für Betroffene und jene, die schon seit Jahren vor dem toxischen öffentlichen Diskurs über Islam und Muslime und seinen Auswirkungen warnen, kommen die Ergebnisse nicht überraschend. Alleine das Wording bei der Präsentation der Studienergebnisse in heimischen Medien zeigt, wie wenig Sensibilität es hierzu gibt und wie auch die Medienberichterstattung zur gegenwärtigen Situation beigetragen hat.

Einseitige Wissensproduktion

Vorweg ist gleich festzuhalten, dass es trotz der Präsenz des Themas im öffentlichen Diskurs kaum systematische und repräsentative Studien zu Einstellungen in der Bevölkerung gegenüber Muslime in Österreich gibt. Dabei mangelt es keinesfalls an Studien über sie. Deren Gebetseinrichtungen, Bildungsinstitutionen und Einstellungen sind häufig Gegenstand der Forschung. In vielen Fällen dienen Studien über Muslime zur Durchsetzung politischer Agenden. Es gibt kaum ein wissenschaftliches Feld, indem die Verzweigung zwischen Wissenschaftsproduktion und politischer Intervention derart praktiziert wird. Von einer politisierten Islamforschung spricht in diesem Kontext etwa auch die Islamwissenschafterin Schirin Amir-Moazami in ihrem Buch "Der Inspizierte Muslim", die sich kritisch mit den epistemologischen und normativen Voraussetzungen der Wissensproduktion auseinandersetzt.

Schon alleine diese Schieflage in der wissenschaftlichen Auseinandersetzung – nämlich die Überbeleuchtung von Muslime als Forschungssubjekt bei gleichzeitiger Unterbeleuchtung der Muslime als Objekt rassistischer Projektionen – und die daraus resultierende mediale Rezeption, aus der sich in der Wahrnehmung vieler "die Muslime" als zu inspizierender, bedrohlicher Problemfall ergibt, ist Teil des strukturellen Problems.

Muslime als "Fremde"

Symptome dessen sind schon in der Berichterstattung der vorliegenden Studie zu beobachten. Der erste schriftliche Artikel stammt von der "Kleinen Zeitung". Dieser wurde offenbar auch in einem STANDARD-Artikel unkritisch übernommen. Der Titel beider lautet "Österreicher stehen Islam sehr kritisch gegenüber". Dabei wird einer der zentralsten Ergebnisse im Artikel prominent angeführt: Etwa die Hälfte der 1.200 Befragten gibt an, dass Muslime nicht die gleichen Rechte haben sollen wie Österreicher. Dass eine derartig pauschale Abwertung die Grundlage für Entmenschlichung und die damit verbundenen Konsequenzen, die wir gerade aus der österreichischen Geschichte nur zu gut kennen, höchst-problematisch ist, das dürfte außer Frage stehen. Hinzu kommen 48 Prozent, die keine Moscheen in Österreich tolerieren und 51 Prozent die finden, die Glaubensausübung bei Muslimen solle eingeschränkt werden. Das sind allesamt Haltungen, die in direktem Widerspruch zu internationalen Menschenrechten und der österreichischen Verfassung stehen, wo die Gleichwertigkeit und Religionsfreiheit betont wird. Sie sind im Gegensatz zu dem, was der Titel der Artikel vorgibt, eines ganz bestimmt nicht: "Eine kritische Haltung gegenüber dem Islam".

Für die Befragten solle die Glaubensausübung für Muslime eingeschränkt werden.
Foto: Getty Images/MysteryShot

Phänomen benennen

Die gemessenen Haltungen sind Indiz für das, was man offenbar mit allen Mitteln versucht zu umschreiben: Antimuslimischer Rassismus. Die Benennung des Phänomens wird so verkrampft vermieden, dass lieber zu anderen, erst recht stigmatisierenden Begriffen wie „Fremdenfeindlichkeit“ gegriffen wird. Dabei gibt es gerade im wissenschaftlichen Betrieb durchaus vernünftige und eingegrenzte Definitionen für antimuslimischen Rassismus, Islamfeindlichkeit, Muslimfeindlichkeit. Mit dem Begriff der Fremdenfeindlichkeit wird die Andersartigkeit, die Fremdheit verfestigt. Zusätzlich sprachlich manifestiert wird das zudem, indem die Rede von Einstellungen der Österreicher gegenüber Muslimen ist. Auch hier wird wieder ein Widerspruch zwischen Österreich und Muslim suggeriert, so als wären es nicht österreichische Muslime, über die hier gesprochen wird. All das führt mitunter dazu, dass sich bei manchen unterbewusst ein Rechtfertigungsbedürfnis entwickelt, schließlich ist eine gewisse Reserviertheit gegenüber "Fremden" legitim. Auch das führt wieder dazu, dass antimuslimischer Rassismus nicht als Problem anerkannt wird.

Denn die Frage nach der Salonfähigkeit von Muslimfeindlichkeit in Österreich stellt sich nicht nur nach dem Shitstorm gegen das Neujahrsbaby Asel und auch nicht seit der letzten Auflage von Schwarz-Blau, sondern geht schon viel länger zurück. Dennoch scheint es in Österreich gesellschaftlich wie politisch einen Konsens darüber zu geben, dass kein Handlungsbedarf bestehe – und das trotz der steigenden Übergriffe auf Muslime, die etwa von Zara, der Dokustelle für Islamfeindlichkeit und anderen Institutionen festgehalten wurde.

Hohe Toleranz gegenüber Antimuslimischem Rassismus 

Besonders deutlich wird die egalitäre Haltung gegenüber antimuslimischem Rassismus im Zuge der fehlenden Rezeption seitens der heimischen Medien bei diversen Äußerungen von Politikern. Norbert Hofer beispielsweise forderte in einer seiner letzten Wahlkonfrontationen, dass das Bundesheer allenfalls gegen Demonstrierende eingesetzt werden solle. Er tat dies im Kontext seiner Erzählung über türkischstämmige Österreicher, die nach dem Putschversuch in der Türkei, in Wien auf die Straße gingen. Dabei schlug er sofort die Brücke zu den Muslimen in Österreich und hielt fest: "In Österreich gibt es 800.000 Muslime". Er suggeriert damit klar und für seine Wählerschaft unmissverständlich, dass die 800.000 Muslime eine homogene Gruppe seien, die jederzeit gegen "uns" mobilisiert werden können und somit eine Gefahr darstellen, der nur das österreichische Militär begegnen kann. Kein einziges Medium griff diese gefährliche Bügerkriegsrhetorik auf.

Dabei erfüllte Hofers Aussage auch den typischen Dreiklang den wir vom "klassischen" (biologistisch argumentierten) Rassismus kennen: Homogenisierung, Essentialisierung und Dichotomisierung. Offenbar war auch das nicht genug für eine Debatte darüber. Dabei ist die Angst, die hierbei gegenüber Muslimen geschürt wird, so offensichtlich wie gefährlich. Es wundert daher nicht, dass in der vorliegenden Studie etwa 59 Prozent der Befragten angeben, Angst vor Terroristen unter Muslimen in Österreich zu haben. Zu dieser Wahrnehmung haben natürlich auch internationale Schlagzeilen, islamistische Schreckensregime und so weiter beigetragen. Aber gerade deshalb wäre eine differenzierte Auseinandersetzung nach den Geboten der Sachlichkeit unabdingbar. Eine solche scheint im österreichischen Kontext jedoch unmöglich.

Sofortiger Handlungsbedarf

Was es braucht sind konkrete Strategien und Pläne, wie man dem Phänomen, das man zuerst einmal klar benennen muss, begegnen möchte. In keinem einzigen Wahlprogramm der für den Nationalrat amtierenden Parteien, wird antimuslimischer Rassismus erwähnt, geschweige denn konkrete Ansätze zur Anti-Diskriminierung vorgestellt. Auch das ist symptomatisch für den Diskurs. Medien, auch österreichische, müssen ihre Verantwortung dahingehend wahrnehmen und ihre Rolle in diesem Diskurs hinterfragen. Dass die Migrationsdebatte seither eine negative Debatte ist und Migration – meist auf der visuellen Ebene – mit Muslimen gleichgesetzt wird, ist deren unrühmlicher Verdienst.

Schlussendlich braucht es auch endlich ein Bekenntnis auf politischer Ebene zu den – wohlgemerkt österreichischen – Muslimen im Land, etwa nach Merkels Vorbild. Das Fehlen dessen, bei gleichzeitiger Betonung, dass "der Islam nicht nach Österreich gehöre" – wie von rechtspopulistischen Parteien praktiziert – ist nicht nur schädlich für die emotionale Integration von Muslimen, sondern auch Sinnbild des Rechtsrucks: Zu sagen, dass Muslime zu Österreich gehören, kostet in Österreich aktuell Wahlstimmen. Und auf diese ist niemand bereit zu verzichten. (Rami Ali, 27.9.2019) 

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