Die Wählergruppe wird immer größer, die Zuneigung scheinbar auch. Hunderte Millionen Euro haben die Parteien, allen voran SPÖ und FPÖ, in den letzten Tagen im Namen der Senioren verplant. Abschlagsfreie Frühpension, rascherer Teuerungsausgleich, Extraerhöhung kleiner Pensionen: Für viele aktuelle und angehende Ruheständler hat sich die Wahlkampfzeit ausgezahlt.

Für sich genommen lassen sich diese Goodies allesamt plausibel begründen. Die Altersbezüge bewegen sich beileibe nicht in solch schwindelnden Höhen, dass ein Bonus unverschämt wäre – 36 Euro im Monat mehr für eine 1000-Euro-Pension sind nicht die Welt. Dass Neopensionisten die Inflationsabgeltung künftig schon im ersten Jahr nach Antritt erhalten, ist ebenfalls kein dreistes Privileg; die Teuerung macht ja auch nicht Pause. Und wer 45 Arbeitsjahre durchhält, darf sich großer Leistungsbereitschaft rühmen – will man so jemandem missgönnen, sich mit 62 Jahren ohne Einbußen aufs Altenteil zurückzuziehen?

Für viele aktuelle und angehende Ruheständler hat sich die Wahlkampfzeit finanziell ausgezahlt.
Foto: imago/Rainer Berg

Doch die Dosis macht das Gift. In Summe formen sich die Wahlzuckerln zu einem schwer verdaulichen Klumpen, der noch in vielen Jahren nicht abgelutscht sein wird. Die gutgemeinten Vergünstigungen könnten auf Dauer das Gegenteil von dem bewirken, was die Urheber aus der Gewerkschaft als Ziel ausgegeben haben: Sie bringen das Pensionssystem in Not.

Lücke im Pensionssystem

Die Sozialdemokraten haben zu Recht immer dagegengehalten, wenn Konkurrenten, Kommentatoren oder notdürftig getarnte Lobbyisten der Versicherungsbranche suggerierten, die staatliche Altersvorsorge stehe vor dem Kollaps. Tatsächlich sind die Prognosen weit weg von dramatisch. Laut Berechnung der EU-Kommission soll der Zuschuss, den der Staat aus Steuergeld zusätzlich zu den Beiträgen der Versicherten ins Pensionssystem pumpt, bis 2040 um 0,8 Prozent des Bruttoinlandsproduktes steigen. Das macht nach heutigen Maßstäben gute drei Milliarden aus. Angesichts der Massen an Babyboomkindern, die ins Pensionsalter kommen, klingt das verkraftbar.

Doch die Zahlen werden nur dann halten, wenn die Politik nicht ständig neue Benefits erfindet. Fürs nächste Jahr hören sich die jüngsten Beschlüsse erst einmal nicht teuer an: 70 Millionen hier, 30 Millionen da. Doch neue Pensionisten kommen dazu, und die bisherigen schleppen ihre höheren Ansprüche mit. In 15 Jahren dürfte die neue Frühpensionsregelung plus Teuerungsausgleich ohne Wartefrist bereits eineinhalb Milliarden im Jahr kosten – und die Lücke im Pensionssystem merklich vergrößern.

Das ist umso überflüssiger, als es für diese Art Neuauflage der berüchtigten Hacklerregelung keinen sozialen Druck gibt. Ja, 45 Arbeitsjahre sind eine lange und vielleicht auch harte Zeit – doch die Menschen werden ja auch immer älter. In den Genuss kommen Männer mit oft sicheren Jobs, deren Pensionen häufig weit über dem Schnitt liegen: Für sie gibt es nun eine Prämie, wenn sie die Arbeit früher als nötig niederlegen. Wenn schon Extrageld in die Hand genommen wird, dann hätte man(n) an die kümmerlichen Frauenpensionen denken können.

Kluge Vorsorge sieht anders aus: Zieht eine Wirtschaftsflaute ins Land, werden sich zu den nun verursachten Kosten jene der Beitragsausfälle gesellen. Dann wird wieder der Ruf nach harten Einschnitten im Pensionssystem ertönen – und die Gewerkschafter werden schlechtere Argumente als bisher haben, um zu widersprechen. (Gerald John, 26.9.2019)