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Benjamin Netanjahu soll eine Regierung auf die Beine stellen.

Foto: AP/Sebastian Scheiner

Gut eine Woche nach der Parlamentswahl in Israel soll Premier Benjamin Netanjahu noch einmal versuchen, womit er bereits im Mai gescheitert war: Er soll eine Regierung auf die Beine stellen. Staatspräsident Reuven Rivlin hat ihm am Mittwoch den Auftrag dazu erteilt. Auch diesmal gleicht das einer Mission impossible, das weiß Netanjahu: "Ich nehme den Auftrag an, den Sie mir erteilt haben. Nicht im Wissen, dass ich eine größere Chance hätte, eine Regierung zu bilden, sondern im Wissen, dass meine Unfähigkeit, dies zu tun, ein bisschen kleiner ist als die des Abgeordneten Benny Gantz."

Weder Netanjahu noch Herausforderer Gantz war es nach der Wahl am 17. September gelungen, eine nötige Mehrheit von 61 Sitzen zustande zu bringen. Gantz' Bündnis Blau-Weiß kommt zwar auf 33 Sitze – und damit auf einen Sitz mehr als Netanjahus Likud-Partei -, kann aber nur eine Koalition mit 44 Sitzen formen. Netanjahus Koalition käme auf 55 Sitze.

Um diese Pattsituation zu überwinden, brauchte es eine große Koalition, darin sind sich alle einig. "Das Gebot der Stunde heißt Einheitsregierung", so Netanjahu. Gantz nannte die Einheit "ein wünschenswertes Ziel, das nötig ist, um die Gräben in unserem Land zu überwinden und eine stabile Regierung zu bilden, die fähig ist, die ernsthaften Probleme der israelischen Gesellschaft zu korrigieren". Doch wie eine solche Koalition aussehen soll, darüber herrscht Uneinigkeit.

Gantz wartet ab

Beide wollen regieren, Gantz will das aber ohne Netanjahu tun. Der ehemalige Armeechef war mit dem Ziel angetreten, Netanjahu als Premier abzulösen. Eine Regierung mit dem Likud? Für den 60-Jährigen grundsätzlich kein Problem. Sein Bündnis Blau-Weiß scheint sich in vielen Punkten mit der Partei des Premiers einig zu sein. Als Netanjahu ankündigte, das Jordantal annektieren zu wollen, nannte Gantz das eine Kopie seiner eigenen politischen Pläne. Er gilt als liberal und säkular, aber er ist kein Linker. Als General a. D. setzt er auf die Sicherheit des Staates Israel, auch wenn das bedeutet, die Möglichkeit einer Zweistaatenlösung weiter einzuschränken.

Doch Gantz versprach im Wahlkampf auch, in keine Regierung mit Netanjahu an der Spitze zu gehen. Dieser steht unter Korruptionsverdacht und könnte demnächst in drei Fällen wegen Bestechlichkeit, Betrugs und Untreue angeklagt werden. Für Gantz, einen Demokraten und Vernunftmenschen, dem es weniger um Macht als um die Zukunft des Landes geht, ist Netanjahu keiner, der Israel weiterhin regieren sollte: "Blau-Weiß unter meiner Führung ist nicht bereit, in einer Regierung mit einem Anführer zu sitzen, der einer schweren Anklage gegenübersteht."

Dritte Wahl nicht ausgeschlossen

Doch Netanjahu will Premier bleiben. Mehr noch: Er hat kurz nach der Wahl ein Bündnis mit seinen politischen Partnern – mit den Ultraorthodoxen und der rechtsnationalen Jamina – geschmiedet. In einer großen Regierung nach Netanjahus Geschmack würde Gantz also zum kleinen Koalitionspartner mutieren – mit wenig Einfluss. Das macht es für Benny Gantz nahezu unmöglich, diesen Deal einzugehen. Doch eine Alternative scheint ebenfalls nicht in Sicht. Eine dritte Wahl ist nicht ausgeschlossen. Israel steht ein heißer Herbst bevor. (Lissy Kaufmann aus Tel Aviv, 27.9.2019)