Die Grünen surfen auf der Welle der Klimabewegung, heißt es oft. Abstrakt gesehen mag das stimmen. Konkret kann es jedoch auch schon mal zu terminlichen Konflikten kommen, wenn der grüne Wahlkampfabschluss am selben Tag stattfindet wie der globale Earth Strike, der auch in Wien ökologisch Überzeugte an verschiedenen Orten zur Demonstration im Zeichen des Klimaschutzes versammelt.

So nimmt es auch nicht wunder, dass sich am Freitagvormittag im Wiener Sigmund-Freud-Park die Größe der grünen Menschenmenge beim "Wahlkampfabtakt" der Partei in Grenzen hielt. Der guten Stimmung tat das keinen Abbruch: Studentische Aktivisten genossen direkt neben dem Hauptgebäude der Universität Wien den letzten Ferientag; Urgesteine wie der oberösterreichische Landesrat Rudi Anschober und Lokalmatadore wie die Wiener Stadträtin Birgit Hebein nutzten die zaghaften Sonnenstrahlen zum gemütlichen Plausch auf der grünen Wiese.

Abraten von Pilz

Mit einigen Minuten Verspätung trafen dann Spitzenkandidat Werner Kogler und die Listenzweite Leonore Gewessler ein, um ein letztes Mal die erprobten Wahlkampfslogans an ihre Anhänger zu bringen. Die vergangenen zwei Jahre, als eine türkis-blaue Allianz aus "Klimaleugnern und Unterlassungstätern" waltete, hätten die Grünen im Parlament schmerzlichst gefehlt. Daher sei "Zurück in den Nationalrat" am Sonntag die wichtigste Devise und das oberste Ziel. Und Kogler schoss sogleich eine Warnung vor zu euphorischen Erwartungen nach: "Die guten Umfragewerte haben uns Grünen noch nie genützt." Man solle keinesfalls der Versuchung unterliegen, wie schon 2017 woanders das Kreuz zu machen – zum Beispiel bei einer Partei, die diesmal ohnehin nicht ins Parlament kommen werde, riet er vor eine Stimme für seinen früheren Kollegen Peter Pilz ab.

Solidarische vs. individualistische Konzepte

Besonders bemüht war Kogler, die ideologischen Unterschiede zu den Neos nochmals hervorzustreichen, was sich angesichts des urbanen Publikums durchaus anbot. Bei den Neos herrsche ein individualistisches Menschenbild vor, bei dem jeder auf sich selber schauen müsse, der soziale Zusammenhalt aber keine Rolle spiele. Die Grünen pries ihr Chef demgegenüber als "solidarische Bewegung", in deren Konzept niemand zurückgelassen werde.

Daraufhin schlug Kogler den rhetorischen Bogen zu Greta Thunberg. "Die jungen Menschen" hätten die Signale der Wissenschaft erkannt: "Sie haben recht, wenn sie nicht mehr länger warten wollen." Was viele grüne Aktivisten dann auch bald wörtlich nahmen und sich gesammelt in Richtung Praterstern begaben, um bei der Klimademo mitzumarschieren. (Theo Anders, 27.9.2019)