Philippe Jordan – sehr energisch bei Brahms' Symphonik.

Foto: Martina Draper

Der Beethoven ist bereits eingetütet und seit kurzem käuflich zu erwerben, jetzt ist Brahms an der Reihe. Und zwar auch ordentlich der Reihe nach: Dessen Symphonien Nr. 1 bis 4 spielen die Wiener Symphoniker in zwei Doppelkonzerten im Musikverein. In der letzten Saison von Philippe Jordan als Chefdirigent will auch noch das letzte große "B" im Komponistenlexikon verewigt werden.

Andrés Orozco-Estrada, der das Konzertorchester der Stadt Wien ab 2021 leiten wird, wird sich für seine Programme also erst einmal bei anderen Buchstaben umschauen müssen (von dem kolumbianischen Wahlwiener und dem Tonkünstlerorchester Niederösterreich gibt es übrigens bereits eine empfehlenswerte, poetische Aufnahme aller Brahms-Symphonien).

Glänzender Motivator

Die Erste stapfte zu Beginn in schweren Stiefeln ihren düsteren Schicksalspfad entlang wie ein kantiger, vierschrötiger Kerl. Auch im an sich lichten langsamen Satz rührte Jordan mit der engagierten Assistenz der üppig besetzten tiefen Streicher lustvoll die dunklen Farben an – dem Kontrabassistensohn Brahms dürfte das gefallen haben. Solid wie eine Schrankwand in Eiche sogar Teile des dritten Satzes. Fast gewalttätig der Dur-Einbruch im Horn im Finalsatz.

Wie immer zeigte sich Jordan als glänzender Motivator, der den Bogen aber auch immer wieder überspannte und das Orchester inflationär ins Fortissimo pushte. Natürlich gelangen dem 44-Jährigen und den Musikern auch wundervoll delikate Aktionen: Die Präsentation des Dur-Themas der Holzbläser im Finalsatz bezauberte durch Eleganz, berührend auch das Cellothema in der Wiederholung der Kopfsatz-Exposition der zweiten Symphonie.

Schubkräftig

In diesem Opus fanden sich werkgemäß mehr Momente der Entspannung, doch auch hier: Jordan schob und wirbelte aufgezwirbelt herum, so als hielte der kommende Generalmusikdirektor der Staatsoper Musik ausschließlich in ihren dynamischen Extremen für wirkungsmächtig. Warum den Dingen nicht einfach mal ihren Lauf lassen? Natürlich nicht bei der Schlusssteigerung der Zweiten – die gelang auch äußerst schubkräftig. Jubel im Großen Saal. (sten, 28.9.2019)