Selbstironie kann Shirin David schon auch:

Champagner her, die Elite ist da!

Foto: Shirin David/Instagram

Wer nur selten zu jungen Menschen Kontakt pflegt oder über 30 und fast schon tot ist, wird den Namen sehr wahrscheinlich noch nie gehört haben. In der Parallelwelt von Instagram ist Shirin David aber mit 4,9 Millionen Followern der große Star. Ihre Lebensberatungsvideos auf ihrem Youtube-Kanal werden von 2,65 Millionen Abonnementen verfolgt: "Ich würde einfach nicht empfehlen, dieses Rauchen auszuprobieren."

Die Themen der kumpelhaft und frisch von der Leber weg gestalteten Beiträge sind mit Ausnahme eines Junkfood-Führers durch Berlin klar definiert: "Dinge, über die alle Frauen lügen", "Die Perücken und ich", "Meine Roomtour" oder "Meine Nasen OP + Horrornarkose". Während 37:20 Minuten wird im letzten Beitrag recht offen und sachlich über eine ihrer zahlreichen Body-Modifikationen gesprochen: "Ich wollt‘s einfach ein bisschen süßer haben, ein bisschen kürzer."

Shirin David

Mehr als 75 Tausend Euro soll Shirin David mittlerweile in die Optimierung ihres Körpers hin zum Kunstgeschöpf zwischen Beyoncé, Jennifer Lopez und Kim Kardashian investiert haben. Zuletzt stand nach Nase und Busen diesbezüglich ein relativ dramatischer "Brazilian Butt Lift" auf dem Programm.

Shirin David zählt in ihrer Rolle sowohl als Influencerin zu den absoluten Größen im Geschäft. Unter anderem besteht ein Sponsorvertrag mit dem Lebensmittelkonzern Nestlé. Und Shirin David verkauft auch eigenen Produkte wie (überteuerte) Plastikhandtaschen. Zuletzt erzielte sie allein über ihr Duftwasser kolportierte 15 Millionen Euro Jahresumsatz.

Billig ist teuer

Laut einer repräsentativen Jugendstudie, wer gegenwärtig zu den beliebtesten Stars der 13 bis 19-jährigen Deutschen zähle, taucht Shirin David neben Heidi Klum, Greta Thunberg sowie Pietro Lombardi und Cristiano Ronaldo unter den ersten fünf auf. Gerade ist karrieretechnisch folgerichtig auch das erste Album der künstlichen Schönheit erschienen: Angesiedelt zwischen R‘n‘B und HipHop und mit richtig guten Leuten im Geschäft richtig gut Richtung Beyoncé produziert, ist es konsequent Supersize betitelt.

Im Gegensatz zu ihrem selbstbewusst verbreiteten Image als Barbie mit Migrationshintergrund, die wöchentlich tausende Euro in Luxusboutiquen ausgibt, um damit richtig billig auszusehen, gibt sich Shirin David dabei durchaus unerwartet feministisch, im Sinne von egoistisch. Wenn man in Betracht zieht, dass junge Leute heute auch ironisch und nicht nur verzweifelt veranlagt sind, können sich die beiden Antipoden Greta Thunberg und Shirin David als "Idole" durchaus ergänzen.

Shirin David

Immerhin kommen bei David ja noch der Humor und Bitch-Faktor dazu. Der Reiz des Schreckens zwischen Cartier und Chopard, Gucci und Versace sowie dicken Limousinen und Geld zum Verbrennen dürfte ihr und ihrem Publikum bewusst sein. Ihr Konsumalbtraum-Clip Gib ihm wurde mittlerweile 44 Millionen Mal auf Youtube abgerufen.

Alles Supersize

Im Song Ice reimt Shirin: "Brieftasche schwanger, Portemonnaie fett/ Alles supersize wie der G6/ Sprichst du grad nicht über Cash, falsche Frequenz/ Sperr’ deine ganze Straße, nur für meine Präsenz/ Ich brauch’ deinen Schein nicht, solange meine bunt sind (Cash)/ Swarovski-Unterwäsche, Mann, die Pussy funkelt/ Zwei Container kommen mit Lila jede Stunde/ Alles nur Papier, ich schmeiß’ die Scheiße auf euch Hunde/ Was für Gage? Sie bezahlen mich dafür, dass ich atme/ Hundert schwarze Karten in der Tasche von Versace."

Geboren als Barbara Davidavicius als Tochter einer Litauerin in Hamburg scheint sich die von der kunstsinnigen Mutter finanzierte Ausbildung gelohnt zu haben. Klavier, Oboe, Geige, später Gesang, Schauspiel und Tanz an der Jungopernakademie. Die Wege der Teenies sind seltsam. Aus Kunst wurde Künstlichkeit. Aber perfekte Oberflächlichkeit ist natürlich auch eine Kunst. (Christian Schachinger, 28. 9. 2019)