Gerhard Richters "Abstraktes Bild" (1984) aus der HypoVereinsbank soll zwischen 7,4 und 10,8 Millionen Euro bringen.
Foto: Christie's

Seit die Unicredit im Februar verlautbart hatte, sich etappenweise von der unternehmenseigenen Kunstsammlung zu trennen, herrschte Rätselraten, welcher der internationalen Auktionsgiganten den Deal an Land ziehen würde. Den Zuschlag erhielt Christie's, wie jetzt im Vorfeld der Versteigerung einer ersten Tranche Anfang Oktober in London bekannt wurde.

Zweck heiligt Mittel

Der Zweck heiligt auch in der Bankenbranche die Mittel: Der Erlös wird in die "Social Impact Banking"-Initiative "reinvestiert", die mit Krediten und Mikrofinanzierungen positive soziale Veränderungen fördern will. Knapp 73 Millionen Euro ließ man dafür 2018 in Italien springen. Das laufende Rollout, aktuell in zehn weitere Märkte der Bankengruppe (u. a. Deutschland, Österreich, Ungarn, Rumänien, Türkei), wird auch über den Verkauf von bislang in Italien, Deutschland und Österreich beheimateten Kunstwerken finanziert. Das eine oder andere, so kündigte man an, werde an Museen gespendet. Eine Vorgabe der Konzernmutter, die dem Vernehmen nach nicht alle Töchter begeisterte.

Im ersten Schritt geht es um 50 Millionen Euro, die man über die Versteigerung von 312 Kunstwerken in mehreren Auktionen bis ins Frühjahr 2020 einspielen will. Gemessen am Gesamtbestand von 60.000 Werken, die sich im Laufe der Jahre über diverse Fusionen mit anderen Unternehmen und deren Sammlungen bei Unicredit anhäuften, klingt das nach einem vergleichsweise kleinen Opfer.

Nam June Paiks Beitrag für die 45. Biennale von Venedig 1993 (180.000 bis 270.000 Euro) kommt ebenfalls unter den Hammer.
Foto: Christie's

Ein Eindruck, der täuscht, da es sich teils um kapitale Abgänge handeln dürfte, von denen vorerst nur ein Zehntel öffentlich wurde: jene rund 30 Arbeiten, die am 4. und 5. Oktober in der Sparte Contemporary & Post War in London während der Frieze-Messe versteigert werden, wenn die Dichte der aus der ganzen Welt angereisten potenziellen Käuferklientel besonders hoch ist. Es ist übrigens jenes Segment, in dem Unicredit von der Preisentwicklung für zeitgenössische Kunst in den letzten Jahren am stärksten profitieren wird.

Erlöse mindestens verdoppelt

Im Abgleich mit den in den 1980er- und 1990er-Jahre bezahlten Ankaufspreisen dürften sich die Erlöse verdoppeln, wenn nicht vervielfachen. Beispielhaft dafür steht die Wertsteigerung für Werke von Gerhard Richter, die noch in den 1980er-Jahren in Galerien für 10.000 bis 15.000 Deutsche Mark zu haben waren. Nun geht der günstigste "Richter" aus der Unicredit-Gruppe für fast 91.000 Euro an den Start, der teuerste mit 7,4 Millionen Euro.

Insgesamt geht es um sechs Werke der deutschen HypoVereinsbank, die zusammen zwölf oder auch 18 Millionen Euro erzielen könnten. Gemäß den von Christie's angesetzten Schätzwerten ist allein die 20 Positionen umfassende Hypo-Fraktion in Summe zwischen gut 16 und 21 Millionen Euro schwer.

Ebenfalls aus dem Hypo-Bestand stammt diese Arbeit von Yves Klein (1,8 bis 2,8 Millionen Euro).
Foto: Christies

Demgegenüber wirkt der vorläufige Beitrag der Bank Austria blass: acht Kunstwerke, die insgesamt bis zu 184.000 Euro bringen sollen. Darunter Arbeiten von Birgit Jürgensen, Arnulf Rainer, Hermann Nitsch oder Heimo Zobernig. Die einzelnen Taxen orientierten sich hier teils an den einstigen Ankaufspreisen und geringfügig auch an Preisentwicklungen auf dem internationalen Markt.

Letzteres ist bei Maria Lassnig und Franz West der Fall: Wests Namensschild Lisa (1985) erwarb die heimische Bank 1998 für rund 7000 Euro im Dorotheum, nun belaufen sich die Erwartungen auf 33.800 bis 56.000 Euro. Für Lassnigs Aquarell Schmerzen im Grunewald (1978), das man 1999 beim Wiener Auktionshaus "im Kinsky" für 3600 Euro netto (exkl. Aufgeld) ersteigerte, hofft man in London nun auf 11.300 bis 16.900 Euro. Ein Wunsch, der sich angesichts der seit 2016 von der Lassnig-Stiftung international betreuten Ausstellungen (u. a. Tate Liverpool), die Begehrlichkeiten schürten, wohl erfüllen wird.

Bank Austria steuert 62 Werke bei

Wie viele Kunstwerke die Bank Austria insgesamt "opfern" muss? 62, war dem Pressesprecher auf Anfrage zu entlocken. Um welche Werke, welcher Künstler und welcher Epochen es sich abgesehen von den aktuell angebotenen handelt, wollte man nicht erläutern. Nur so viel: Gustav Klimts Nixen (Silberfische) (um 1899), die in der Albertina als Dauerleihgabe gastieren, seien nicht darunter. International läge der Wert dieses Gemälde bei etwa 15 Millionen Dollar, jedoch würde das Denkmalamt wohl keine Ausfuhr genehmigen. Ob ein solches Veto im Hinblick auf "nationales Kulturgut" auch Oskar Kokoschkas Amor und Psyche (1955) oder Hans Makarts Triptychon Moderne Amoretten (1868) trifft, bleibt abzuwarten. (Olga Kronsteiner, 28.9.2019)