Der "Verordnungsvorschlag über Europäische Herausgabe- und Sicherungsanordnungen für elektronische Beweismittel", kurz "E-Evidence", wurde im Dezember 2018 von den EU-Mitgliedsstaaten abgesegnet.

Foto: APA / dpa / Jan Woitas

Das Problem tritt zwar nicht allzu häufig auf, ist aber verzwickt: Wie kommen Strafverfolgungsbehörden an digitale Beweismittel, die auf Servern im Ausland gespeichert sind? Derzeit müssen sich Ermittler auch innerhalb der EU auf Rechtshilfeabkommen stützen, was langwierige Verfahren nach sich zieht. Im Durchschnitt dauert es zehn Monate, bis die Daten übermittelt werden – für die Aufklärung vieler Fälle ist das zu spät.

Einfacher und schneller wäre es, wenn die Behörden die Daten auch im Ausland direkt vom Internetdienst abfragen könnten. In den USA wurde dies im Vorjahr durch den Cloud Act ermöglicht, durch den ein Streit der Justiz mit Microsoft über in Irland gespeicherte Daten beigelegt wurde. Kurz darauf stellte auch die EU-Kommission ein Modell vor, das innerhalb der EU einen solchen raschen Zugriff ermöglicht.

Der "Verordnungsvorschlag über Europäische Herausgabe- und Sicherungsanordnungen für elektronische Beweismittel", kurz "E-Evidence", wurde im Dezember 2018 von den EU-Mitgliedsstaaten abgesegnet, allerdings mit einigen signifikanten Änderungen. Nun muss das Europaparlament zustimmen, aber dort gebe es legitime Bedenken gegen den vorliegenden Entwurf, sagt Theodore Christakis, Professor für Völkerrecht an der Universität Grenoble.

Christakis sprach am Rande des Dublin Digital Summit vor kurzem über die zentralen Streitpunkte bei diesem Vorhaben: "Die Kernfrage ist: Welcher Staat spielt welche Rolle bei der Herausgabe digitaler Beweismittel?"

Frage der Rechtsstaatlichkeit

Die EU-Kommission habe in ihrem Vorschlag auf gegenseitiges Vertrauen zwischen den Staaten gesetzt: Wenn ein Staat Daten anfordert, dann müsse man ihm trauen, dass dies auf Grundlage des Rechtsstaats geschieht.

"Aber was tut man, wenn die Behörden eines anderen Staats Zugang zu Daten von Journalisten, Anwälten oder Whistleblowern verlangen? Sollte das nicht von einem anderen Staat noch einmal kontrolliert werden?", fragt Christakis.

Die EU-Staaten hätten das zwar bejaht, aber auf eine unbefriedigende Weise, sagt der Jurist: Die Meldung müsse demnach an den Staat ergehen, in dem die Daten gespeichert sind. "Aus Sicht der Menschenrechte wäre es hingegen viel wichtiger, dass das Wohnsitzland des Verdächtigen eine Mitsprache erhält."

Dies könnte innerhalb einer Zehntagesfrist geschehen, in Notfällen sogar innerhalb von sechs Stunden. Wenn in dieser Zeit kein Einspruch erfolgt, könne man von einer Zustimmung ausgehen. Gegenüber den zehn Monaten, die Behörden heute warten müssen, wäre das ein gewaltiger Fortschritt.

Christakis hofft, dass das EU-Parlament Änderungen in diese Richtung durchsetzen kann. Neben der E-Evidence-Verordnung sei auch ein Abkommen zwischen den USA und der EU notwendig, um transatlantische Zugriffe zu regeln. Dies werde nicht so einfach sein, denn der Cloud Act erlaube keine Vereinbarungen mit Organisationen, sondern nur mit Staaten. "Da werden noch kreative Lösungen notwendig werden", sagt Christakis. (Eric Frey, 30.9.2019)