Eine erkennbare Neigung könnte den Landesparteien schaden, erläutert Politik- und Medienberater Peter Plaikner im Gastkommentar.

Wählt Kurz Blau, wählt Wien bald.
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Wenn die Regierungsbildung so lange dauert wie von Ibiza-Gate bis zur Neuwahl, dann beginnt die nächste Koalition erst am 11. Februar – zwei Wochen vor dem Faschingsdienstag 2020. 135 Tage: Das wäre ein Rekord. Bisher haben sich Alfons Gorbach 1963 (129) und Wolfgang Schüssel im Jahr 2000 (124) am meisten Zeit gelassen.

Dass in der Zweiten Republik bisher nur seine beiden schwarzblauen Kabinette im Februar gestartet sind, mag als Wink mit dem rechten Zaunpfahl gelten, falls Sebastian Kurz seine Ultima Ratio extrem verzögert. Er wird seine Partnerpräferenz aber jedenfalls noch zwei Monate bestmöglich hinter ausufernden Sondierungsgesprächen verbergen – vor allem um seine Parteifreunde in der Steiermark nicht zu gefährden.

Denn dort ist in acht Wochen Landtagswahl, und lediglich in Graz und Umgebung leben schon mehr Stimmberechtigte als in ganz Vorarlberg, das bereits in 14 Tagen wählt. Allein die steirische Hauptstadt hat politisch kaum geringeres Gewicht als das gesamte Burgenland, wo der 26. Jänner als Wahltermin schon fixiert scheint. Das ginge sich für eine Kurz'sche Entscheidungsverzögerung also auch noch ohne Rekordbruch aus.

Wo demnächst Wahlen anstehen – und wie die Ausgangslage in diesen Ländern ist.
Grafik: DER STANDARD

Der Ex- und Bald-Kanzler verfügt über alle Trümpfe, um den Koalitionspoker als jugendfrische Sphinx auszukosten. Ungeachtet zahlloser Antipathiebekundungen wollen alle verbleibenden Widersacher unter dem Ungeliebten in die Regierung. Er kann die Kür seines kleinsten Übels parteistrategischen Überlegungen unterordnen. Eine grundsätzliche These dafür ist, dass die FPÖ aus Opposition Kraft schöpft, während die SPÖ sich in dieser Rolle schwer zurechtfindet.

Dazu kommt als weitere Basiserwägung der Druck aus den schwarz-grün regierten westlichen Ländern, diese Kombination nun national türkis-grün nachzuvollziehen – allenfalls sogar im Trio mit pinker Beteiligung wie in Salzburg. Geradezu entgegengesetzt dazu wirkt allerdings die Empfehlung von Hermann Schützenhöfer. Der steirische Landeshauptmann und ÖVP-Chef bevorzugt Schwarz-Rot – für Land wie Bund.

Die Absolute im Ländle

In traditionell alemannischer Eigenbrötlerei geradezu unbeeindruckt von Wiener Gedankengängen werden sie in zwei Wochen den Vorarlberger Landtag wählen. Wo 2014 ÖVP und SPÖ ihr regionales Rekordtief widerfuhr, während die Grünen das beste Ergebnis nach Salzburg 2013 erzielten, darf die Volkspartei nun sogar mit der absoluten Mandatsmehrheit spekulieren. 47 Prozent sagte ihr die einzige veröffentlichte Umfrage von Ende Mai voraus. Der damals prognostizierte Vorstoß der SPÖ hinter die FPÖ auf Rang drei wirkt inzwischen aber unwahrscheinlich. Eher duellieren sich die Grünen um den zweiten Platz, als hinter die Sozialdemokraten zurückzufallen. Auch ohne Absolute sollte der schwarze Landeshauptmann Markus Wallner eine ähnlich komfortable Verhandlungsposition erreichen wie 2018 sein roter Kollege Peter Kaiser in Kärnten. Abgesehen von Grünen oder SPÖ als Juniorpartner könnte der Vorarlberger auch die Österreich-Premiere einer Zweierkoalition mit den Neos liefern. Wallner schließt aber – im Gegensatz zu Kurz im Bund – eine Regierung mit der FPÖ aus.

Das steirische Dilemma

So weit wagt sich Hermann Schützenhöfer nicht vor. Denn in der Steiermark lag die FPÖ 2015 Kopf an Kopf mit den hier ebenfalls auf ein jeweiliges Rekordtief gefallenen SPÖ und ÖVP. Erst die blaue Karte in der Hinterhand sicherte den schwarzen Landeshauptmann trotz roten Minimalvorsprungs. Nach der ersten Legislaturperiode ohne Proporz im auf 48 Sitze verkleinerten Landtag steht ein Sieg der Volkspartei bisher außer Frage. Die Umfragen sagen zwischen fünf und sechs Prozentpunkte Vorsprung voraus – sind allerdings uneinig, vor wem.

In der Steiermark gibt es keine Prozenthürde, für den Einzug in den Landtag ist ein Grundmandat notwendig. Das haben seit 2005 auch die Kommunisten immer erreicht, die Neos aber zuletzt noch verfehlt. Doch weder mit ihnen noch mit allenfalls auch enorm erstarkten Grünen sollte sich eine Zweierkoalition ausgehen. Wenn die SPÖ der Empfehlung ihres einstigen Chefs und Schützenhöfer-Vorgängers Franz Voves folgt, keine Partnerschaft mit der ÖVP mehr einzugehen, gerät diese ins blaue Dilemma.

Der rotblaue Hort

Genau mit einer solch parteizerreißenden Mesalliance regiert Hans Peter Doskozil ganz ungeniert im Burgenland. Ein Erbstück des ebenso selbstbewussten Hans Niessl, mit dem die SPÖ dort 2015 ihr schlechtestes Ergebnis seit 1949 erzielt hatte, während die ÖVP ein All-Time-Low verzeichnete. Die Symbolkraft des Bundeslandes ist seit jeher größer als sein wahres Gewicht. Allein die Bezirke Donaustadt und Favoriten haben mehr Wahlberechtigte als der Hort einer rot-blauen Alternative.

Letztlich unterliegt der Kurz'sche Poker aus regionaltaktischer Perspektive also vor allem der Wien-Wahl 2020. Ausgerechnet die rot-grüne Stadtregierung muss auf eine türkis-blaue Bundeskoalition hoffen. Nichts mobilisiert eigene Anhänger besser als ein Erfolgsrezept oder ein deutlicher Gegner. Der wäre nur für Rot-Blau im Burgenland ein Türkis-Grün im Bund, für die Steiermark bleibt beides unklar. Denn Schützenhöfer favorisiert mit Schwarz-Rot ein mittlerweile unbeliebtes Modell.

Wählt Kurz Blau, wählt Wien bald. Auch das spricht für Grün und allenfalls Pink oder sogar Rot als nächsten Koalitionspartner. Denn fürs schnelle nächste Wählen fehlt vor allem das Geld. (Peter Plaikner, 29.9.2019)