Die Bakterienvielfalt im Magen-Darm-Trakt ist entscheidend für die Gesundheit des gesamten Körpers. Medikamente zum Schutz des Magens, sogenannte Protonenpumpenhemmer, beeinflussen das Mikrobiom.

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Für viele sind sie zu einer Art Lifestyle-Medikament geworden. Wer an Sodbrennen leidet, aber trotzdem ein Steak mit Pommes essen will, nimmt danach einfach einen Magenschoner. Dass es ein Medikament ist, das ursprünglich dafür entwickelt wurde, die Nebenwirkungen bestimmter Medikamente auf den Magen (Schmerzmittel) zu lindern, wird nicht ins Kalkül gezogen.

Die Entwicklung sogenannter Protonenpumpenhemmer – umgangssprachlich als "Magenschutz" bekannt – markiert einen Meilenstein in der Behandlung säurebedingter Erkrankungen des Verdauungstrakts. Innerhalb von knapp 30 Jahren sind derartige Medikamente zu einem der umsatzstärksten und meistverschriebenen Arzneimittel geworden.

Veränderung der Darmflora

Wissenschafter und Wissenschafterinnen der Med-Uni Graz haben nun herausgefunden, dass Protonenpumpenhemmer das Mikrobiom von Patientinnen und Patienten mit Leberzirrhose stark beeinflussen, was dazu führt, dass gesundheitsschädliche Bakterien bessere Bedingungen vorfinden und sich dadurch auch stärker vermehren. Daher arbeiten die Forschenden an Therapiemöglichkeiten, um das Mikrobiom zu stabilisieren, wenn Patientinnen und Patienten auf eine Dauertherapie mit Protonenpumpenhemmern angewiesen sind.

Protonenpumpenhemmer – kurz PPIs – sind zu einem unverzichtbaren Medikament in der Behandlung säurebedingter Erkrankungen des Verdauungstrakts wie Magengeschwüren oder Speiseröhrenentzündungen geworden. PPIs wirken schnell und zuverlässig und weisen zusätzlich ein günstiges Nebenwirkungsprofil auf. "Aufgrund der geringen beziehungsweise kaum nachweisbaren Nebenwirkungen werden Medikamente zum Magenschutz auch außerhalb der angedachten Einsatzgebiete verwendet – wie beispielsweise präventiv zum Schutz des Magens, wenn mehrere andere Medikamente eingenommen werden müssen", sagt Vanessa Stadlbauer-Köllner von der Klinischen Abteilung für Gastroenterologie und Hepatologie der Med-Uni Graz.

Ohne Rezeptpflicht

Da PPIs teilweise nicht mehr rezeptpflichtig sind, greifen viele Menschen zur Selbstmedikation und verwenden sie als Lifestyle-Medikament ohne klare Indikation. "In den letzten Jahren häufen sich aber Berichte über mögliche negative Langzeitfolgen der PPI-Einnahme – von einem erhöhten Allergierisiko, einer erhöhten Sterblichkeit, Osteoporose, Vitamin- und Mineralstoffmangel bis hin zur Demenz wurde berichtet", sagt die Expertin.

Diese Erkenntnis kommt auf Umwegen aus Erkenntnissen, die rund um die Erforschung von Lebererkrankungen entstehen. Die wissenschaftliche Arbeitsgruppe von Stadlbauer-Köllner beschäftigt sich mit der Erforschung von Veränderungen des Darm-Mikrobioms bei chronischen Lebererkrankungen. Chronische Lebererkrankungen und die Leberzirrhose sind in Österreich sehr häufig, wobei der Hepahealth Report 2018 für Österreich einen unrühmlichen Spitzenwert von 1.100/100.000 Fällen zeigt.

Erkenntnis auf Umwegen

Da auch die Verwendung von PPIs bei chronischen Lebererkrankungen häufig ist – die Hälfte der Patientinnen und Patienten nimmt einen PPI, in 50 Prozent ohne nachvollziehbaren Grund –, untersuchte Angela Horvath aus der Arbeitsgruppe von Stadlbauer-Köllner die Auswirkungen von PPIs auf das Mikrobiom bei Leberzirrhose und machte eine besorgniserregende Entdeckung.

In der aktuell in "Scientific Reports" publizierten Arbeit zeigt sie, dass PPIs das Mikrobiom von Zirrhose-Patientinnen und -Patienten immens beeinflussen. "Im bereits durch die Zirrhose vorgeschädigten Mikrobiom kommt es zu einer weiteren Reduktion der Diversität und zu einem Verlust der Kolonisationsresistenz – das bedeutet, dass schädliche Bakterien bessere Bedingungen vorfinden, um sich zu vermehren", erklärt Horvath.

Bei Zirrhose sind das vor allem Bakterien aus dem Mund, die dann im Darm zu finden sind (zum Beispiel Veillonella parvula und Streptococcus salivarius). "Diese Veränderung in der Zusammensetzung des Mikrobioms führt zu einer Entzündungsreaktion im Darm und einer Darmbarrierestörung. Dadurch treten bakterielle Produkte vermehrt über den Darm in den Kreislauf ein", so Horvath. Zudem stellte sie fest, dass Patientinnen und Patienten mit Zirrhose und Einnahme eines PPI häufiger an Komplikationen der Zirrhose versterben als Patientinnen und Patienten, die keinen PPI einnehmen.

Einsatz abwägen

Stadlbauer-Köllner und ihr Team ziehen aus den Ergebnissen mehrere Schlüsse. Einerseits muss die Sinnhaftigkeit der Verschreibung von PPIs – wie bei jedem anderen Medikament auch – für jeden Patienten und jede Patientin individuell geprüft werden. Nur wenn ein PPI medizinisch Sinn macht, sollte er auch verschrieben und verwendet werden.

Andererseits gibt es natürlich Menschen, die auf eine Dauertherapie mit PPIs angewiesen sind (zum Beispiel chronische Refluxerkrankung oder die Einnahme mehrerer magenschädigender Medikamente gleichzeitig). Für diese Patientengruppe wird es notwendig sein, Therapiekonzepte zu entwickeln, die vor den negativen Folgen der PPIs auf das Mikrobiom schützen. Die Arbeitsgruppe von Stadlbauer-Köllner arbeitet momentan daran, das Darm-Mikrobiom mit Probiotika so zu stabilisieren, dass PPIs keinen negativen Effekt haben. (red, 1.10.2019)