In einer ersten Amtshandlung ließ der Stadtchef die Kontrollkameras am Beginn der Zone abschalten, Aktivisten gingen dagegen vor.

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Madrids Umweltzone ist weitgehend Geschichte. Bürgermeister José Luis Martínez-Almeida von der konservativen Partido Popular kündigte an, dass mehr Fahrzeuge die Zone frei befahren dürfen. Martínez-Almeida regiert seit Juni die spanische Hauptstadt mit Unterstützung der rechtsliberalen Ciudadanos und der rechtsextremen Vox. Seine linksalternative Vorgängerin Manuela Carmena hatte die Umweltzone geschaffen.

Waren seit November 2018 nur Anwohner sowie Elektro- und Hybridfahrzeuge vollständig von den Beschränkungen ausgenommen, gilt dies künftig auch für Fahrzeuge mit der Umweltplakette C in der 472 Hektar großen Zone. Damit gemeint sind Dieselfahrzeuge, die nach 2014, und Benzinfahrzeuge, die nach 2006 zugelassen wurden. Einzige Beschränkung: Sie müssen mit zwei oder mehr Personen besetzt sein.

Billigeres Parken

Außerdem wird Almeida an den großen Verkehrsadern der Innenstadt die Radspuren entfernen lassen. Sie würden den Verkehrsfluss behindern, sagt er. Parkhäuser werden billiger. Zudem dürfen Motorräder – Almeida selbst fährt einen Scooter – künftig zwischen sechs Uhr früh und Mitternacht frei fahren. Das sind drei Stunden mehr als bisher. Wer in der Innenstadt ein Geschäft hat, wird künftig die gleichen Freiheiten genießen wie die Anwohner. Er darf einfahren, egal welche Schadstoffklasse sein Fahrzeug hat.

",Madrid Central' ist überholt", sagt Almeida. Sein Plan "Madrid 360", den er ohne Beratung mit dem Umweltausschuss, den Anwohnern oder Einzelhandels- und Gaststättenverbänden ausarbeitete, kommt wenige Wochen nach der Veröffentlichung einer Studie des europäischen Umweltverbandes Transport & Environment (T&E), die Umweltzonen in 250 Städten vergleicht. Madrid schnitt dabei am besten ab. Die Stickoxidbelastung der Luft ist seit Inkrafttreten um 32 Prozent gesunken. Allerdings liegt die Stadt weiter über den europäischen Grenzwerten.

Kostenlose Busse

Damit die Belastung zumindest in der Statistik künftig nicht zu stark zu Buche schlägt, will Almeida einige Straßen und Plätze rund um die einzige innerstädtische Messstelle zur Fußgängerzone machen. Zwei kostenlose Buslinien sollen den Plan ergänzen.

Almeida war bei den Wahlen im Mai mit dem Versprechen angetreten, "Madrid Central" aufzuheben. Zwar gewann die linksalternative Carmena, doch Almeida erreichte mit seinem Rechtsbündnis die Mehrheit. Kaum im Amt, schaltete er die Kameras ab, die die Zufahrten zur Umweltzone kontrollieren. Die Umweltorganisation Ecologistas en Acción zog vor Gericht und erwirkten eine einstweilige Verfügung dagegen.

Mehr Verkehr in Innenstadt

Paco Segura, Sprecher von Ecologistas en Acción, bewertet den Plan Almeidas als "sehr negativ". Denn die Fahrzeuge mit dem Label C, die künftig in die Zone dürfen, stellen 36 Prozent des Madrider Fuhrparks. "Diese Maßnahme erhöht den Verkehr erheblich", sagt Segura. Außerdem werde die Preissenkung für Parkplätze den Individualverkehr fördern.

Jetzt wird die Stadtverwaltung die Gemeindeverordnungen ändern. Irgendwann im ersten Quartal 2020 sollen dann die neuen Regeln gelten. Sobald die Gesetzgebung veröffentlicht wird, wollen die Umweltschützer prüfen, ob sie erneut vor Gericht ziehen. (Reiner Wandler aus Madrid, 30.9.2019)