Silke und Holger Friedrich hatten schon viele Engagements. Jetzt wollen sie den Berliner Verlag wieder auf die Beine bringen.

Foto: Jens Rötzsch/DUMONT

Hört man sich in der Kollegenschaft des Berliner Verlages um, dann ist dort vorsichtiger Optimismus zu spüren. "Frischer Wind von außen mit neuen Ideen kann uns guttun", heißt es.

Die freundlichen Worte gelten Silke und Holger Friedrich, einem Ehepaar aus Berlin. Es hat gerade den Berliner Verlag, ein Traditionshaus in der deutschen Hauptstadt, vom Kölner Verlag Dumont gekauft. Normalerweise wäre das bloß eine Nachricht für Branchendienste, doch dieser Eigentümerwechsel stößt in Deutschland – und erst recht in Berlin – auf großes Interesse.

Zum einen haben viele in den vergangenen Jahren mit dem 1945 im Ostteil der Stadt gegründeten Verlag und seinem Flaggschiff, der Berliner Zeitun g, mitgelitten. 1990, nach der Wende, wechselte der Verlag alle paar Jahre die Eigentümer, wurde von einem "Wessi" zum anderen weitergereicht (Gruner+Jahr, Holtzbrinck, BV Deutsche Zeitungsholding), bis er schließlich bei Dumont landete – während die Auflage immer weiter sank und das Geschäft immer schlechter lief. Zum anderen hat das bis dato in der Öffentlichkeit unbekannte Ehepaar Friedrich aus Berlin zwar nach der Wende eine spannende Karriere gemacht, kommt aber nicht aus der Verlagsbranche.

Silke Friedrich (47), die aus einem Dorf in Sachsen-Anhalt stammt, lernte zunächst Bürokauffrau, belebte später mit dem Mitbegründer der Love-Parade, Ralf Regitz, den legendären Technoclub E-Werk und wurde dann Geschäftsführerin der privaten Berlin Metropolitan School.

Gelernter Werkzeugmacher

Ihr Ehemann (53) absolvierte in Berlin eine Ausbildung zum Werkzeugmacher, studierte danach Literaturwissenschaft und Informatik, baute eine Softwarefirma auf, die er an SAP verkaufte, arbeitete für McKinsey und gründete dann die Softwareberatungsfirma Core.

Ob er der deutsche Jeff Bezos sei, wurde Holger Friedrich vom Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb) gefragt – eine Anspielung auf den Amazon-Chef, der 2013 die Washington Post erwarb. Friedrichs Antwort: Er wisse nicht, warum Bezos das gemacht habe, aber: "Wir wissen, warum wir es gemacht haben. Wir denken, dass im politischen oder gesamtgesellschaftlichen Diskurs etwas fehlt."

Im Spiegel bekennt er, dass der Kauf, den offenbar kein Verlag stemmen wollte, mit einem "gewissen Trotz" erfolgt sei. Schließlich stammen auch die Friedrichs aus dem Osten. Und die Berliner Zeitung wird 30 Jahre nach der Wende eher im Ostteil Berlins gelesen, der Tagesspiegel im Westen.

"Wir können das. Wir können es anders", sagt Holger Friedrich, und seine Frau meint: "Natürlich wollen wir auch beweisen, dass es geht." Beide räumen allerdings ein, dass sie die Berliner Zeitung in den vergangenen Jahren nicht mehr gelesen haben.

Das solle aber nicht bedeuten, dass das Blatt vom Markt verschwinden wird, die Friedrichs haben auch die Druckerei mitgekauft, und Holger Friedrich sagt: "Für ein Printprodukt wird es immer einen Markt geben. Der Buchdruck ist ja auch nicht tot." Der "größere Teil" aber seien die digitalen Kanäle, die deutlich besser aufbereitet werden müssten.

"Wir machen das jetzt"

Spannend wird, wie die Berliner Zeitung ihre Politikberichterstattung unter den neuen Eigentümern aufstellt. 2018 haben das Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND) der Madsack-Gruppe aus Hannover (u. a. Hannoversche Allgemeine Zeitung,Leipziger Volkszeitung) und Dumont (u. a. Frankfurter Rundschau,Hamburger Morgenpost) eine gemeinsame Hauptstadtredaktion gegründet. Dieses Redaktionsnetzwerk Berlin beliefert täglich mehr als 50 regionale Tageszeitungen mit einer Reichweite von bis zu 6,8 Millionen Lesern mit Themen aus Berlin.

Möglicherweise setzen die neuen Eigentümer wieder auf mehr Berliner Eigenständigkeit. So meint Silke Friedrich: "Diese Vereinheitlichung führt zu einer gewissen Medienmüdigkeit: Hab ich eine Zeitung gelesen, hab ich alle gelesen." Zunächst aber gilt für die branchenfremden Neulinge laut Silke Friedrich die Devise: "Wir gucken mal. Wir machen das jetzt. Das ist Punk" (Birgit Baumann, 1.10.2019)