Das bundesweite Wahlergebnis war für die SPÖ enttäuschend, in Wien noch enttäuschender. Sie fiel unter 30 Prozent, und ihre Verluste – nach derzeitigem Stand – in der Höhe von rund sieben Prozent liegen sogar über dem Bundesschnitt. Und nächstes Jahr muss Michael Ludwig seine erste Wahl als Bürgermeister schlagen.

In einem Jahr zurück zur alten Stärke zu finden wird, auch verstärkt durch die Krise der Bundespartei, eine Mammutaufgabe für Ludwig. Umso verwunderlicher war seine Analyse am Wahlabend, die wie das Eingeständnis einer zukünftigen Niederlage klingt: "Warum sollte ein enttäuschter FPÖ-Wähler nahtlos zur SPÖ wechseln?" Die SPÖ könne bei einigen Themen gar kein Angebot für jahrelange freiheitliche Anhänger bieten.

Dann her mit einer programmatischen Neuausrichtung, möchte man ihm zurufen, auch wenn es nicht einfach wird. Klimaschutz? Geht man lieber zu den Grünen. Bildung? Vertreten die Neos glaubwürdiger. Arbeiterrechte? Auch beim Zwölf-Stunden-Tag schaffte es die SPÖ im Wahlkampf nicht, eine klare Botschaft zu formulieren.

Wahltriumph birgt eine Gefahr

Ganz ein anderes Stimmungsbild bei den Grünen. Ihre Zugewinne – um die 20 Prozent der Stimmen und Nummer eins in bis zu zehn Wiener Bezirken – überraschen selbst Parteiinsider. Das gibt der Öko-Partei Rückenwind für 2020.

Wiens Bürgermeister Michael Ludwig.
Foto: Heribert CORN

Doch der Wahltriumph auch außerhalb von Wien birgt eine Gefahr. Sollte es tatsächlich zu einer Koalition mit der türkisen ÖVP auf Bundesebene kommen, mit der viele liebäugeln, wird das für die Wiener Landesgruppe eine Belastungsprobe. Notwendige Kompromisse im Bund werden dann auch den Wiener Grünen zugerechnet.

Bleibt noch die Frage, ob tatsächlich im Herbst 2020 gewählt wird, wie es offiziell heißt, oder schon im Frühjahr. Aus Sicht der SPÖ spricht dafür, dass die FPÖ in einer Krise steckt und man ihr keine Zeit für den Wiederaufbau geben will. Die ÖVP in Wien scheint dafür so entspannt wie schon lange nicht. Der Sebastian-Kurz-Bonus hat gegriffen – und gibt der ÖVP Hoffnung für die Gemeinderatswahlen.

Doch an dieser Stelle sei gesagt: Wien ist nicht der Bund, der Wähler entscheidet viel unmittelbarer über seine Lebensrealität vor der Haustüre. Das ist auch das, worauf Ludwig setzen muss. Errungenschaften wie Gratiskindergarten oder sozialer Wohnbau wird er dem einen oder anderen Wiener doch noch in Erinnerung rufen können. (Rosa Winkler-Hermaden, 30.9.2019)