Künstlerische Darstellung eines hypothetischen Objekts am Rande des Sonnensystems, das durch seine Gravitation andere Objekte beeinflusst.
Illustration: nagualdesign/Tom Ruen/Eso [cc;4.0;by-sa]

Etwas ist da draußen. Das lässt zumindest die wachsende Zahl an ungewöhnlichen Beobachtungen im äußeren Sonnensystem vermuten. Schon vor Jahrzehnten diskutierten Astronomen über die mögliche Existenz eines unbekannten Planeten außerhalb der Neptunbahn. In den vergangenen Jahren erhielt diese Idee starken Zuspruch, denn die merkwürdigen Umlaufbahnen mancher Objekte im eisigen Kuipergürtel, der das Sonnensystem umgibt, deuten auf den gravitativen Einfluss eines sehr massereichen Objekts hin.

Zieht hier ein großer Planet seine langen Bahnen um die Sonne? Die Meinungen der Fachwelt sind geteilt. Das bisher einzige Indiz für diese Hypothese ist die Gravitation, die eine Reihe von Asteroiden und Zwergplanetenkandidaten zu beeinflussen scheint. Aus der Beobachtung dieser Objekte errechneten Forscher schon einige Daten des möglichen Verursachers: Er könnte fünf- bis zehnmal so viel Masse besitzen wie die Erde und für eine vollständige Sonnenumrundung 10.000 bis 20.000 Jahre benötigen. Das mysteriöse Objekt erhielt den vorläufigen Namen "Planet Neun", wäre es doch, nachdem Pluto 2006 zum Zwergplaneten degradiert wurde, der neunte Planet im Sonnensystem.

Minimassemonster

Jetzt schlagen die Physiker Jakub Scholtz (Durham University) und James Unwin (University of Illinois at Chicago) eine alternative Erklärung für die merkwürdigen Vorgänge jenseits der Neptunbahn vor: Ihrer Ansicht nach könnte auch ein kleines Schwarzes Loch dahinterstecken. Damit gerät die Suche nach dem Objekt zwar noch tiefer ins Reich der Spekulationen. Die Idee, die Scholtz und Unwin in ihrer auf dem Preprint-Server Arxiv veröffentlichten und noch nicht durch ein Qualitätssicherungsverfahren überprüften Studie präsentieren, birgt aber durchaus Potenzial.

Die Orbits einiger Bewohner des Kuipergürtels lassen auf den Einfluss eines massereichen Objekts (orange Bahn) schließen.
Illustration: Caltech/R. Hurt

Die Forscher argumentieren, dass sich die beobachteten Bahnanomalien im Kuipergürtel auch durch ein sogenanntes primordiales Schwarzes Loch aus der Frühzeit des Universums bestens erklären ließen. Ihren Berechnungen zufolge wäre dieses Objekt bei einer zehnfachen Erdmasse etwa so groß wie eine Bowlingkugel, was auch erklären würde, warum bisher kein direkter Nachweis gelungen ist. Anders als ihre riesigen Verwandten könnten solche kleinen Schwarzen Löcher schon kurz nach dem Urknall entstanden sein. Gesichert ist ihre Existenz aber nicht.

Vorhergesagter Masseverlust

Scholtz und Unwin halten es dennoch für sinnvoll, primordiale Schwarze Löcher im Rätsel um "Planet Neun" in den Kreis der Verdächtigen aufzunehmen. Wenn es sie gibt, wäre es durchaus denkbar, dass ein solches Minimassemonster irgendwann von der Schwerkraft der Sonne eingefangen wurde und sie umkreist.

Die Hypothese würde vor allem aber neue Wege eröffnen, so Unwin: "Wenn wir uns nur auf einen Planeten konzentrieren, schränken wir die experimentelle Suche ein. Sobald wir aber über exotischere Objekte wie diese urtümlichen Schwarzen Löcher nachdenken, ergeben sich neue Möglichkeiten." So könnte versucht werden, das Objekt durch die Beobachtung von Gammastrahlenblitzen nachzuweisen, die in seiner Umgebung entstehen dürften.

Ein so kleines Schwarzes Loch hätte, in astronomischen Maßstäben, wohl kein sehr langes Leben mehr vor sich. Wie der im Vorjahr verstorbene britische Physiker Stephen Hawking gezeigt hat, produzieren Schwarze Löcher durch quantenphysikalische Effekte thermische Strahlung und specken ab – je weniger Masse sie haben, desto schneller. (David Rennert, 1.10.2019)