Bild nicht mehr verfügbar.

Pawel Ustinow mit Freundin und Anwältin auf dem Weg zu seiner Anhörung vor Gericht.

Foto: Reuters/Novozhenina

Das Moskauer Stadtgericht hat die Gefängnisstrafe für Pawel Ustinow am Montag zur Bewährung ausgesetzt. In erster Instanz war der Schauspieler, der während der Moskauer Proteste im August von der Polizei festgenommen worden war, noch wegen Widerstands gegen die Staatsgewalt und Körperverletzung zu dreieinhalb Jahren Haft verurteilt worden. Angeblich soll Ustinow einem Beamten der russischen Nationalgarde bei der Festnahme den Arm ausgekugelt haben. Das Gericht ignorierte dabei ein Video und Zeugenaussagen, die dem von der Staatsanwaltschaft skizzierten Tathergang widersprechen.

Der Protest, der sich gegen die offensichtlich falschen Anschuldigungen erhob, zwang die Obrigkeit zum Einlenken. Unter anderem kritisierten das Urteil auch Kreml-nahe Künstler. Nur wenige Tage nach dem Hafturteil forderte die Staatsanwaltschaft selbst – die ursprünglich sogar sechs Jahre Haft beantragt hatte –, Ustinow bis zur Berufung nicht in Untersuchungshaft zu nehmen, sondern unter der Auflage einer Meldepflicht freizulassen.

Ein Jahr auf Bewährung

Am Montag senkte sie dann ihre Strafforderung auf 3,5 Jahre Bewährung. Das Gericht gab Ustinow schließlich ein Jahr auf Bewährung. Ganz freisprechen mochte es den 24-Jährigen nicht. Damit blieb der Richter im Paradigma der russischen Justiz, wo über 99 Prozent der Prozesse mit einer Verurteilung enden.

Ustinow selbst will das abgemilderte Urteil trotzdem weiter anfechten. Er sei unschuldig, beteuerte er vor Gericht. Er sei ohnehin eher zufällig in die Mühlen der Justiz geraten, da er als unpolitischer Mensch damals gar nicht an den Protesten teilgenommen habe. Allerdings habe ihn sein eigener Fall zu mehr zivilgesellschaftlichem Engagement bewogen, sagte Ustinow nach der Urteilsverkündung.

Demos gehen weiter

Ustinow versprach, sich auch für andere Betroffene der sogenannten Moskauer Prozesse einzusetzen. Derzeit verbüßen bereits sechs Demonstranten reale Haftstrafen zwischen zwei und fünf Jahren. Während die Staatsanwaltschaft ihre Ermittlungen gegen eine Reihe von Demonstranten einstellte, denen sie ursprünglich die Beteiligung an Massenunruhen vorgeworfen hatte, läuft immer noch eine Vielzahl von Straffällen – unter anderem wegen Extremismus.

Die Freilassung der bereits Verurteilten und derer, die in U-Haft oder unter Hausarrest auf ihren Prozess warten, forderten am Sonntag mehr als 20.000 Demonstranten auf dem Sacharow-Prospekt in Moskau. Es war die erste Veranstaltung seit über einem Monat, die von der Stadtverwaltung genehmigt wurde. Speziell vor der Wahl, die wegen der Aussortierung unliebsamer Kandidaten zum Katalysator der Proteste wurde, hatte die Administration sämtliche Kundgebungen verboten.

Auf der Veranstaltung am Sonntag traten auch führende Oppositionspolitiker auf, die bei der letzten legalen Kundgebung im August wegen diverser administrativer Haftstrafen gefehlt hatten. Die Opposition versprach eine Fortsetzung der Proteste, bis ihre Forderungen erfüllt seien. (André Ballin aus Moskau, 30.9.2019)