Norbert Hofer (links) und Herbert Kickl tüfteln, wie man die FPÖ neu aufstellen kann.

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Die FPÖ wusste es schon 72 Stunden davor: Schön würde der Wahlabend nicht werden. Letzte interne Umfragen nach dem Aufkommen der Spesenaffäre wiesen den Freiheitlichen herbe Verluste aus. Es stellte sich nur noch die Frage, wie dick es für die FPÖ am Sonntag wirklich kommen würde. Jetzt, vor der Auszählung der Briefwahlkarten, ist klar: Sie hat definitiv mehr als 15 Prozent erreicht und liegt vor den Grünen. Damit ist der Super-GAU abgewendet worden.

Nach dem Wahldebakel geht es insbesondere um die Zukunft von Ex-Parteichef Heinz-Christian Strache.
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Dennoch dämmert der Partei, wie katastrophal das aktuelle Ergebnis von 16,1 Prozent ist, also der Verlust von zehn Prozentpunkten. Der bedeutet, dass rund zwanzig Abgeordnete ihr Mandat verloren haben. De facto trifft es die blaue Infrastruktur aber noch schlimmer. Denn nun fallen auch Regierungsämter und Arbeitsplätze für Funktionäre in den Ministerien weg, sollte es nicht doch zu einer Fortsetzung von Türkis-Blau kommen. Doch dieser Koalitionsvariante werden nur geringe Chancen eingeräumt, sie wäre sowohl für die ÖVP als auch für die FPÖ sehr risikobehaftet.

Das liegt daran, dass sich die FPÖ zuerst einmal mit sich selbst beschäftigen muss. Das sahen durchgängig alle Parteigranden so. Von Vorarlberg bis ins Burgenland hallte einstimmig der Ruf nach Erneuerung und dem Gang in die Opposition. Der Welser Bürgermeister Andreas Rabl kündigte im Gespräch mit dem STANDARD einen "Generalputz" an.

Schon gehört?

Aufzuarbeiten gibt es einiges. Die Causa prima ist Ex-Chef Heinz-Christian Strache, der laut Parteiinsidern "seit Wochen völlig irrational um sich schlagen" soll. Dass Straches Umfeld wenige Tage vor der Wahl Informationen über die Spesenabrechnungen anderer freiheitlicher Spitzenpolitiker an Oe24 verteilte, sorgt für Schockzustände in der Partei. Als erster ranghoher Freiheitlicher sprach sich am Montag Mario Kunasek für einen Ausschluss Strache aus, "wenn sich die Vorwürfe erhärten".

Der niederösterreichische Landesrat Gottfried Waldhäusl war dafür schon bei der blauen Wahlparty am Sonntag zu ungeduldig. "Der Strache hätte es machen sollen wie der Joschi", polterte er im Gespräch mit dem STANDARD. Also sofort nach dem Ibiza-Video die Partei verlassen, wie sein Freund Johann Gudenus. Und Waldhäusl hatte sogleich eine Jobempfehlung für seinen ehemaligen Chef parat. Der solle sich bitte "einen anderen Beruf suchen – einen, den er mag". Auch Rabl hält einen Ausschluss für logisch, "wenn nur ein Teil" der Gerüchte über Strache stimmen sollte. Doch die Frage lautet in der Partei schon lange nicht mehr, ob es unter Strache problematische Vorgänge gegeben hat – sondern nur noch, wie schlimm diese sind. Die Justiz ermittelt rund um ein blaues Vereinsnetzwerk; außerdem nimmt die Novomatic-Causa an Fahrt auf. Davon betroffen sind auch Markus Tschank und Hubert Fuchs, die es wohl beide wieder in den Nationalrat schaffen – für alle Genannten gilt die Unschuldsvermutung.

Oberösterreichs FPÖ Chef Manfred Haimbuchner hat bereits am Montagabend angedeutet, dass auch die Partei Konsequenzen für Strache ziehen wird.
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Dazu kommt die Aufarbeitung der Spesenaffäre: Wie konnte es Strache jahrelang schaffen, für sich, Mitarbeiter und seine Ehefrau so viel Geld aus der Partei zu erhalten? Wer wusste davon? Und wie viel Strache steckt noch in der FPÖ Wien? Hier warten unangenehme Antworten auf FPÖ-Chef Norbert Hofer, der immerhin selbst seit mehr als einem Jahrzehnt Straches Vize war.

Doppelspitze bleibt vorerst

Hofer selbst hat übrigens schon ein Auge auf die Position des Dritten Nationalratspräsidenten geworfen, wie man in der Partei munkelt. Es wäre die Rückkehr in eine Position, die er mag – und die das Freundschaftlich-Verbindende betont, nicht das Konfrontative. Als Klubobmann ist Herbert Kickl vorgesehen; er wird gemeinsam mit Hofer zumindest vorerst noch eine Doppelspitze bilden.

Aber weder Kickl noch Hofer gelten in der Partei als geeignet dafür, in die Fußstapfen von Jörg Haider und Heinz-Christian Strache zu treten. Kickl gilt als zu aggressiv und uncharismatisch, Hofer als zu lasch. Außerdem steht die Frage im Raum, wie belastbar Hofer ist, der wohl sein Leben lang an den Folgen eines Paragleiterunfalls im Jahr 2003 leiden wird – im Wahlkampf wurde er von ständigem Fieber geplagt. Daher sucht man nun in den Bundesländern nach Alternativen. Manfred Haimbuchner würden einige in der Partei den Job zutrauen, gleichzeitig fürchtet man dessen Strenge. Mario Kunasek gilt als beliebt, er will jedoch in der Steiermark bleiben.

Die FPÖ Wien fällt als Rekrutierungsort wegen ihrer Nähe zu Strache aus – gründet dieser eine eigene Liste, ist auch mit Überläufern zu rechnen. Daher kursieren Gerüchte, dass Kickl selbst in Wien nach dem Rechten schauen könnte. Als andere potenzielle Wien-Chefs gelten die Abgeordneten Hans-Jörg Jenewein, seine Schwester Dagmar Belakowitsch und Harald Stefan. Klar ist, dass auf Hofer eine Herkulesaufgabe zukommen wird – die ersten Weichen dafür sollen schon am Dienstag gestellt werden. (Fabian Schmid, Theo Anders, 1.10.2019)