Zwei Männer setzten sich im Herbst 1926 in ein offenes Automobil. Bodenlange Staubmäntel sollten vor allen Wetter- und Straßenunbilden schützen, natürlich wurde offen gefahren. Der Begriff Automobil greift zu kurz, ein exklusiver Austro-Daimler Bergmeister diente als Gefährt, mit einem Monokel als Kühlerfigur.

Die Ankunft in Paris 1926. Deutsch-Dryden und Lang hatten die Strecke von Wien im Austro-Daimler Bergmeister bewältigt!
Foto: Inge Sidak

Wer waren die beiden kühnen Automobilisten mit Reiseziel Paris? Ernst Deutsch-Dryden, in der Wiener Gesellschaft als exklusiver Werbegrafiker hoch angesehen, glaubte nicht mehr an Österreichs Zukunft: Paris, die Stadt der Mode, sollte ihm den Zugang zu internationaler Klientel ermöglichen. Als Co-Pilot fungierte der 25-jährige Max Lang, schon in der Mittelschule durch eine perfekte Skizze Feldmarschall Conrad von Hötzendorfs aufgefallen, jetzt als die rechte Zeichenhand von Deutsch-Dryden.

Das Porträt zeigt Max Lang 1928
Foto: Inge Sidak

Zwei Reserveräder aufgeschnallt – ab ging es über 1200 km auf straßenähnlichen Wegen, die sich in Frankreich Routes nationales nannten. Frankreich, die große Siegernation des Ersten Weltkriegs, schien für Deutsch sprechende Zuwanderer kein guter Boden zu sein. Deutsche liefen unter dem Begriff "Boches" (Schweine), für Österreicher (Autrichiens) war der Begriff "Autres chiens" (die anderen Hunde) reserviert.

Trotz aller negativer Voraussagen, die beiden schafften schnell den Durchbruch. Das neu etablierte Studio im Nobelviertel Neuilly war rasch erste Adresse für die internationale Modewelt. Neue Modelle, ob für Damen oder Herren, wurden damals in den Fachmagazinen nicht fotografiert, sondern das vorgegebene Kleidungsstück wurde von hochqualifizierten Zeichnern, bestens bezahlt, als Aquarell auf Papier übertragen.

Max Langs Zeichnungen bevölkern schöne (Lebe-) Menschen, stets perfekt gewandet – und das Auto darf selten fehlen.
Foto: Peter Korrak

Bereits Ende der 1920er-Jahre etablierte sich Max Lang an der Seine als gesuchter und entsprechend dotierter Modezeichner. 1929 wanderte sein Mentor Deutsch-Dryden weiter in Richtung USA, um bald in Hollywood zu den führenden Filmausstattern zu zählen. Marlene Dietrich ließ sich von ihm mit Vorliebe für ihre Rollen einkleiden. Max Lang dagegen übernahm in Paris als Alleininhaber den Studiobetrieb. Sein guter Ruf in der Szene brachte pausenlos Aufträge der großen Modemagazine, aber auch einzelne Hersteller wie die Unterwäschefirma Wolsey, der Hutfabrikant Morreton, die Tennismarke Dunlop oder französische Zulieferer der Autoindustrie ließen sich von ihm ihre Werbung gestalten.

Hautevolee

Lang war nun in der Lage, die drei großen Interessengebiete seines Lebens künstlerisch und finanziell auszuleben: Mode, Technik (Schwerpunkt Automobil), Skisport. In seinen Aquarellen für die Modemagazine sah sich die Welt der oberen zehntausend widergespiegelt. Diese Menschen kannten keine Not, obwohl gerade die 30er- und 40er-Jahre für die meisten in Europa eher schwere Zeit waren.

Eine Szene in Paris um 1950.
Foto: Peter Korrak

Die Bilder zeigten Menschen unter Palmen an der Côte d'Azur oder beim Aufbruch zur Jagd, stets entsprechend gewandet. Elegante Männer, schicke Damen, deren tägliches Erscheinen an einem Arbeitsplatz keine unbedingte Notwendigkeit darstellte, sehr naturtreu gezeichnet, trafen sich zum fröhlichen Rendezvous, eine Gesellschaftsschicht, wie sie beispielsweise die englische Fernsehserie Downton Abbey vorstellte. Manchmal glaubten Betrachter in den Zeichnungen Ähnlichkeiten mit Filmstars wie David Niven, Clark Gable, Doris Day oder Leslie Howard zu entdecken.

Eines durfte dabei fast nie fehlen: das passende Automobil. Vergessene Marken tauchen da wieder auf wie Hotchkiss (die Marke mit den gekreuzten Kanonen), Delage, weiters Renault, Simca, aber auch dicke Amerikaner als Botschafter des Luxus. In den Jahren nach dem Zweiten Weltkrieg aber bildeten Mercedes-Benz 300 SL Flügeltürer oder Porsche 356 die schicken Statisten für den Transport der gezeichneten Botschaft.

Eine Szene mit Ford V8 auf dem Arlberg 1937.
Foto: Inge Sidak

Der Wiener, fast in Paris eingebürgert, lebte mit seiner Frau auch selbst das Leben seiner Zeichenfiguren. Im Sommer lockte "Le brise de mer" zum Aufenthalt in Biarritz, Cannes, Deauville, immer ein perfekter Auftritt wie in seinen Modejournalen. Sobald aber der Schnee zum Wintersport rief, wurden die Ski auf das Auto geschnallt, auch auf das Stoffdach, ab ging es dann Richtung Lech am Arlberg. Max Lang konnte sich als Entdecker von Zürs feiern lassen, er regte seine lokalen Skifreunde an, hier ein exklusives Ski-Eldorado zu etablieren.

Automobile, praktisch nur Cabriolets, begleiteten ihn zeit seines Lebens. Renault 1932, Ford V8, Citroën Traction Avant nach dem Krieg, Studebaker (wer kennt heute noch diese US-Marke) seien als Beispiele angeführt, zuletzt aber als "Alterssünde" der Porsche 356 B in Coupé-Karosse. Eines hatten alle diese Fahrzeuge gemeinsam: Sie lernten den Arlberg als Skiparadies kennen.

1961 kehrte die Familie nach Wien zurück, in den "Unruhestand". Seine Beiträge waren weiter begehrt, sein Stil änderte sich aber, die Menschen auf dem Papier wurden lustiger, lockerer, ein Abbild der neuen Zeit.

Die "Alterssünde" Porsche 356 B, noch heute bestens in Schuss.
Foto: Andreas Stockinger

Der Porsche 356 dagegen lebt heute weiter, bestens gepflegt, mit 107.000 km am Tachometer, ein Oldtimer, wie er im Buche steht – mit zwei originellen Details: Die Nebelscheinwerfer und die Außenspiegel seines Studebakers ließ Max Lang auf den Porsche übertragen. Eine Marotte ist überliefert: Die Türe des Beifahrersitzes im Porsche durfte der Gast nie selbst schließen, persönlich ließ der Meister sie händisch sanft ins Schloss fallen. 1984 starb Max Lang im 84. Lebensjahr. (Peter Urbanek, 19.10.2019)