Die Vorspeise war noch nicht einmal in Sicht, da war das Gedeck vor Rauno Aaltonen schon vollkommen devastiert. Wenn die Erinnerung nicht trügt, war nicht einmal mehr die Serviette ihrem ursprünglich angedachten Zweck zuzuführen. Sie diente als Flipchart, um unterschiedliche Kurven in alle Details zu zerlegen. Rauno war nicht zu bremsen. Weder bei der Erklärung noch in den 1960er-Jahren, als er mit seinem Mini Cooper Rallye-Geschichte schrieb.

Rallye-Professor Rauno Aaltonen wo er sich sichtlich wohl fühlt, irgendwo zwischen Eis und Auto.
Foto: Mini

Schon damals handelte er sich den Namen "Rallye-Professor" ein, weil er so in der Technik des schnellen Autofahrens aufgehen konnte. Obwohl, der Ehrlichkeit halber muss man schon sagen, dass Rauno Aaltonen nicht nur mit dem Auto gern schnell fuhr. Da gibt es wilde Geschichten von seiner Motorradkarriere oder aus der Zeit, als er Rennboote fuhr. Aber wirklich weltweit bekannt wurde er im Mini Cooper.

Liebe auf den ersten Blick

Seine erste Begegnung mit einem Mini war entscheidend dafür, wie in den 1960er-Jahren die Rallye-Geschichte geschrieben wurde. "1959 sah ich das erste Mal einen Mini, der an der Straße geparkt war", erinnert sich Rauno. Und daran, dass es sofort Klick machte. "Mir war klar, die Konstruktion mit dem quer eingebauten Motor und ohne Überhänge ist ideal für ein gutes Rallye-Auto. Ganz entscheidend ist der kurze Überhang vorne. Er macht möglich, dass das Auto sofort reagiert, wenn du das willst."

1959 war auch das erste Produktionsjahr des Mini. Im Sommer brachte die British Motor Corporation, kurz BMC, den Wagen auf die Straße. BMC, das war das Konstrukt, das aus der Fusion der Morris Motor Company und der Austin Motor Company. hervorging. Das aber nur nebenbei, weil die Firmengeschichte, in der man dann auch British Leyland, Rover sowie die zahlreichen Lizenznehmer erklären müsste, den Rahmen sprengen würde. Es reicht zu wissen, dass es den Mini erst einmal mit verschiedenen Markennamen gab. Zudem ist Mini jetzt, 60 Jahre, nachdem die ersten Autos auf die Straße kamen, fest in deutscher Hand. Seit 2001 leitet BMW die Geschicke und machte aus dem Kleinwagen ein kompaktes, mobiles Luxusobjekt, das den Kultstatus weiterführen sollte.

Zu Zeiten der Schwarz-weiß-Fotografie, sah das Fließband bei Mini noch so aus.
Foto: Mini

Spielauto

Nicht nur Rauno war in den Mini verschossen. Mister Bean fällt uns als Erster ein. Ob Bud Spencer als Plattfuß ein Stuntdouble für das Ein- und Aussteigen in den Mini hatte, ist nicht überliefert. Und die Beatles dürfen wir auch nicht vergessen, selbst wenn wir nicht daran denken, hieraus eine vollständige Liste zu machen von jenen, die den alten, den kleinen Mini zum Star machten. Ob das mit dem neuen Mini je gelingen mag, wird die Zukunft weisen. Rauno Aaltonen fährt beide Versionen und ist bis heute ein Markenbotschafter.

Der Wechsel zu BMW fiel ihm wohl nicht schwer. Schon während seiner Rennkarriere vertrieb sich der Professor seine Zeit auch als Instruktor für Fahrtechnik. Heute ist er federführend für die Eis- und Schneetrainings bei BMW und damit auch bei Mini verantwortlich.

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Rauno Aaltonen (rechts neben dem alten Mini ganz links) ist heute noch Markenbotschafter für Mini.
Foto: AP

Bei genau einem solchen übrigens trafen wir ihn zuletzt, zur Kurvendiskussion. Und die ist in Bezug auf den alten Mini besonders spannend. "Der Wagen reagiert schnell, ist kurz und leicht", erzählt Rauno. "Ich fahre also weniger, als ich auf die Agilität im Heck reagiere." Das macht er mit seinen 81 Jahren immer noch hervorragend. Eines seiner Rezepte für schnelle Runden ist wieder ganz typisch für sein analytisches Durchdenken der Fahrdynamik, nämlich die Gewichtsverlagerung. Er erklärt das am Beispiel des Skifahrens, wo man erst mit Druck eine Kurve zustande bringe, und leitet das auf das Auto ab: "Mit Gas, Bremse und Lenkung belaste ich das Rad, das den meisten Grip braucht." Bei Bedarf folgt eine detaillierte Erklärung.

Rauno Aaltonen (mit Beifahrer Henry Lidden) gewinnt 1967 auf Mini Cooper S die Rallye Monte Carlo.
Foto: Mini

Monte Carlo

Aufgegangen ist der Stern des Rauno Aaltonen nicht schon 1959, als die ersten Minis auf Finnlands Straßen standen – sie waren übrigens eine Antwort auf die Energieknappheit nach der Suezkrise von 1956 -, sondern erst 1962 war er bei BMC so weit vorgedrungen, dass er mit einem Mini bei einer Rallye starten konnte. Das war ein Jahr, nachdem er finnischer Rallye-Meister geworden war. Von da an ging es steil bergauf. 1965 holte er sich den Rallye-Europameistertitel, gewann im gleichen Jahr die RAC-Rallye, bevor er zwei Jahre später zur echten Sensation anhob: 1967 gewann er die Rallye Monte Carlo.

1967 war auch das Jahr des ersten Mini-Modellwechsels. Inzwischen gab es nicht nur den Erstling, mit dem 848 Kubikzentimeter großen und 34 PS starken Vierzylinder. Es gab auch schon den Countryman, einen Traveller, Van, Pick-up und den Moke. Es gab den Cooper mit 55 PS aus 997 Kubikzentimetern, wie auch den Cooper S erst mit 70 PS aus 1071 Kubikzentimetern, später mit 970 und 1275 Kubikzentimetern. Die Türscharniere lagen immer noch außen. Doch der Mini MK II wurde etwas erwachsener. Das Heckfenster und die Rücklichter wurden größer, der Kühlergrill eckiger.

Ein Röntgenblick in den Ur-Mini.
Foto: Mini

Details, an welchen man sich heute nicht mehr allzu groß aufhängt. Der Mini ist ein ganz anderes Auto geworden. Inzwischen geht es um einen neuen Antrieb. Mit dem auf der Internationalen Automobil-Ausstellung IAA in Frankfurt präsentierten Fahrzeug bricht für Mini endgültig die Ära der E-Mobilität an.

Der Mini Cooper SE bricht als E-Auto in eine neue Ära auf.
Foto: Mini

Der Mini Cooper SE hat eine Leistung von 135 kW, 184 PS, 250 Newtonmeter Drehmoment und immer noch einen Vorderradantrieb. Laut WLTP-Messung beträgt seine Reichweite 250 Kilometer. Ob das hält, wenn Rauno Aaltonen damit auf dem Eis unterwegs ist? Und das wird er sein. Denn es gibt wohl keinen Mini, den Rauno noch nicht durch den Winter und die vielen Eisstrecken in Finnland geprügelt hat. Am liebsten natürlich quer, eine mächtige Schneefontäne hinterlassend.

Doch er muss nicht immer Vollgas geben, sagt er – und erzählt von seiner Yacht, die in Schweden liegt. "Komm einmal vorbei, dann drehen wir eine Runde." Seine Visitenkarte verschwindet in meiner Jackentasche und ziert heute die Trennwand hinter dem Bildschirm in der Redaktion. Angerufen, wegen der Bootstour, habe ich nicht. Mir reicht die letzte Runde, die wir im Mini auf dem Eis gedreht haben, und zu wissen, dass wir am gleichen Tag Geburtstag haben. Vielleicht ruf ich ihn heuer an und lass mir von ihm gratulieren. (Guido Gluschitsch, 14.10.2019)