Die Mobile-Version von "Mario Kart" nimmt dem Spiel seine Seele.

Foto: Nintendo

Nintendos Ausflüge in die Mobile-Game-Welt sind eher schreckliche Sparvereinausflüge als einprägsame Abenteuer: Weder "Super Mario Run" noch der Smartphone-Ableger für "Animal Crossing" konnten überzeugen. Mario Kart Tour hätte auch das Zeug für ein großartiges Mobile-Game gehabt. Doch – hätte, hätte, Fahrradkette – der Handy-Version von Mario Kart fehlt fast alles, was die Serie so beliebt gemacht hat.

Die Grafiken sind deutlich detailarmer, man fährt gegen Bots, die den Eindruck erwecken sollen, dass man sich mit menschlichen Spielern duelliert, Bananen, Schildkrötenpanzer und Blitze gilt es aber weiterhin auf die Gegner abzufeuern. Die Steuerung wurde von Nintendo simplifiziert: Mario Kart Tour drückt automatisch aufs Gas, als Spieler muss man nur nach links oder rechts wischen, um zu lenken. Dabei kann man zwischen einer einfachen und einer etwas schwierigeren Steuerung wählen, letztere erlaubt es, Drifts hinzulegen, was zumindest die Techniker unter den Mario-Kart-Spielern freuen wird. Ein Wisch nach vorne oder nach hinten lässt dann die gesammelten Items abfeuern. Das wars auch schon von der Komplexität her.

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Die Rennen in Mario Kart Tour sind dagegen ganz klassisch in Cups aufgeteilt. Es gilt drei Rennen je zwei Runden plus eine Strecke mit Sonderregeln zu absolvieren. Ein paar neue Strecken, wie der "New York Speedway" gesellen sich zu Klassikern aus N64- oder Gamecube-Zeiten dazu. In den jeweiligen Rennen bekommt man Punkte, mit denen man Sterne erhält, die wiederum benötigt werden, um neue Cups und Geschenke freischalten zu können. Mit Münzen und Rubinen, die man im Spiel erhält oder gegen richtiges Geld eintauscht, erhält man per Lootbox-System neue Fahrer, Gleiter und Gefährte.

Was ist gelungen?

Das wird kurz: Ja, es ist Mario Kart auf dem Smartphone, die Rennen sind kurzweilig und unterhaltsam, und für eine Runde am Klo reicht es allemal. Aber das gesamte Spiel ist furchterregend seelenlos, als hätte man einem glücklichen Kind jegliche Freude am Leben geraubt, inklusive Süßigkeiten.

Was ist weniger gelungen?

Das größte Manko ist die schwammige, unpräzise Steuerung. Kudos an Nintendo, dass sie es großteils geschafft haben, ein Rennspiel zu kreieren, dass nur mit einer Hand bedienbar ist. Doch an der Ausführung mangelt es. Ein Wisch nach links wird nicht erkannt und man kracht in die Mauer. Anstatt dass man nach rechts fährt, schießt man unbeabsichtig seine Items ab. Bei kurvenreichen Strecken wie "Yoshis Piste" aus "Double Dash!!" gibt die Steuerung sowieso den Geist auf, da das inflationäre aber notwendige Links-rechts-wischen zu langsam registriert wird. Das ist wahnsinnig frustrierend, vor allem, wenn man das Driften und Sliden von den Konsolenversionen gewohnt ist.

Hinzu kommt, dass auf manchen Strecken gleich gar nicht gelenkt werden muss und man dennoch auf den vorderen Rängen landet. Mario Kart Tour ist keine Herausforderung. Die Anfangsklasse 50cc gewinnt man ohne jeglicher Mühe, 150cc wartet zwar mit stärkeren Gegnern und häufigeren blauen Panzern auf, aber selbst dort ist für geübte Fahrer Platz eins locker drinnen. Der Wiederspielwert ist zusätzlich äußerst niedrig: Die Strecken wiederholen sich in den Cups, die Bot-Gegner sind fad, einzig das Ergattern weiterer Sterne, um neue Welten freizuschalten, lässt einen für kurze Zeit zu Mario Kart Tour zurückkehren.

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Wie angesprochen wirkt das Mobile-Game seelenlos. Das ist zum einen klar der bis auf die Knochen abgenagten Spielmechanik geschuldet, zum anderen aber an der Monetarisierungspolik Nintendos. Mario Kart Tour ist kein Spiel um des Spielens Willen, sondern ein Spiel das unser Geld will. Alles am Smartphone-Ableger ermuntert einen kontinuierlich, Geld auszugeben – für stärkere Fahrer, bessere Autos oder sogar eine eigene Rennklasse. Eh klar, Mobile-Games sind dafür konzipiert.

Nintendos Art und Weise hingegen ist heillos veraltet. Für ein Abo von fünf Euro im Monat erhält man Zugang zu den besten Karosserien und Lenkern – und das wars. Im Vergleich dazu: Ein Nintendo-Online-Abo für die Switch – inkludiert unter anderem dutzende NES- und SNES-Spiele – kostet 20 Euro pro Jahr, das kürzlich gelaunchte Apple Arcade verlangt für seine Spieledatenbank mit mehr als 100 zugänglichen Premium-Games auch nur fünf Euro pro Monat. Dass dieses Geldscheffel-Konzept aufgeht, ist stark zu bezweifeln.

Fazit

Mario Kart Tour ist der Höhepunkt einer Verlustserie: Nintendos Mobile-Games sind seit jeher von Schwächen gebeutelt. Im Falle des Funracers kommt erschwerend hinzu, dass man für Geld die Seele der legendären Rennserie verkauft hat. Für kurze Zeit, ja, zugegeben, ist es ganz nett über Strände, Lava oder durch einen Bazar zu cruisen.

Nintendo arbeitet an einem Multiplayer-Modus, der irgendwann in naher Zukunft erscheinen soll. Vielleicht kann dieser das Game irgendwie retten. Doch dieser Mario Kart-Version hat man die Herausforderungen und die gescheite Steuerung amputiert – und den Spaß. (Kevin Recher, 1.10.2019)