Das in Österreich gern verwendete Wörtchen Germ hat die Fermentation bereits im Namen: Es kommt vom mittelhochdeutschen Wort "gerwen", das "zubereiten, garen" bedeutet, und ist sowohl mit "gären" als auch mit "gerben" verwandt. Germ kann man bei uns als Trockengerm oder auch frisch in Würfelform kaufen. Ich bevorzuge frische Germ, da schmeckt der Teig besser. Sie verdirbt aber auch schneller beziehungsweise verlieren frische Hefen nach ein paar Wochen ihre Triebkraft. Trockengerm kann man hingegen lange zu Hause lagern, um spontanen Backaktionen Raum zu geben.

Foto: Ella Josephine Esque

Was bringt den Teig zum "Gehen"?

Vereinfacht kann man die Germteigfermentation so erklären: Mehl besteht aus Stärke, Stärke wiederum aus langen Ketten von Zuckermolekülen. Stärkespaltende Enzyme, die Amylasen, zerstückeln diese Ketten zu Einfachzucker. Die Mikroorganismen in der Backhefe bewirken, dass aus dem Zucker Alkohol und Kohlensäure beziehungsweise Kohlendioxid entstehen. Dabei bildet jede Hefezelle um sich herum eine Kohlendioxidblase. Den Teig kann man sich also wie einen Luftballon vorstellen, der wie ein dünner, elastischer Film um die zahllosen Bläschen liegt. Je intensiver die Hefen "pupsen", desto stärker blasen sie die vielen kleinen "Luftballonkammern" auf und desto mehr dehnt sich der Teig aus.

Foto: Ella Josephine Esque

Das Dampfl

Es wird auch Vorteig, Ansatz, Hebel oder Poolish genannt. Bei diesem Germteig agiert das Dampfl als eine Art Gärprobe. Deshalb mache ich es immer, egal ob mit frischer oder mit Trockengerm, obwohl man diesen Schritt bei Trockengerm natürlich einfach auslassen kann. Ein Vorteil ist: Man merkt sofort, ob die Germ noch gut ist. Ein weiterer: Es regt die Aktivität der Hefen an. Für das Dampfl vermengt man die Germ mit handwarmer Flüssigkeit, in der Regel Milch oder Wasser, und etwas Zucker. Wenn sich Bläschen bilden, sind die Hefen aktiv, wenn sich aber nichts tut, gleich entsorgen und mit neuer Germ starten.

Foto: Ella Josephine Esque

Schlagen und Wärmen

Das Dampfl kommt schließlich zum restlichen Mehl dazu, Butter, Eier, Salz und Gewürze werden eingearbeitet, dann wird der Teig "abgeschlagen". Das bedeutet, dass er in der Schüssel mithilfe eines Kochlöffels immer wieder von Rand weggeschlagen wird. So gelangt Luft in den Teig und die Hefe kann atmen. Wenn der Teig glatt ist und nicht mehr klebt, ihn zugedeckt an einen warmen, nicht zugigen Ort stellen. Was die Temperatur betrifft, sind Hefen eigentlich genauso wie Menschen: Sie haben zwar eine Lieblingstemperatur, so um 30 Grad, kommen aber auch mit anderen Temperaturen zurecht. Nur zu heiß darf es ihnen niemals werden, denn ab 45 Grad fangen sie an abzusterben. Sogar im Kühlschrank kann Germteig gehen, das nennt man dann kalte Fermentation oder kalte Teigführung. Das ist sehr gut geeignet für Pizzateige. Kälter als sieben Grad darf es aber nicht sein, dann stellen die Hefen ihre Aktivität ein.

Foto: Ella Josephine Esque

Vom Kürbis zur Schnecke

Mit diesem fundierten Germteig-Wissen schreiten wir nun zum Rezept. Süße Kürbis-Zimt-Schnecken schätze ich besonders, denn wenn wir in der Steiermark mit Kürbis kochen, dann eher pikant: Kürbissuppe, Kürbisgulasch, Kürbisrisotto, Kürbisgnocchi, Kürbisbrot, Ofenkürbis und so weiter. Alles köstlich, aber dieses Herbstrezept widme ich allen kürbisinteressierten Naschkatzen.

Kürbis-Germteig

  • 100 g Butter
  • 120 ml Vollmilch
  • ½ Würfel Germ oder ein Packerl Trockengerm (7 g)
  • 450 g Mehl
  • 50 g brauner Zucker
  • 50 g Kristallzucker
  • 1 TL Salz
  • 1 TL Zimt, gemahlen
  • 160 g Kürbispüree, selbstgemacht
  • 2 Eidotter

Fülle

Zucker-Frischkäse-Glasur

  • 120 g Frischkäse
  • 2 EL Milch
  • 240 g Staubzucker
  • Ein paar Tropfen Vanilleextrakt (optional)

Zubereitung

Für den Teig Butter in einem Topf so lange schmelzen, bis braune Butter entsteht. Die sorgt für einen extra feinen Buttergeschmack. Aufpassen: Nicht zu dunkel werden lassen. Vom Herd nehmen, eventuell durch ein Sieb leeren und auskühlen lassen.

Die Milch ganz leicht erhitzen, sie sollte handwarm sein, also etwa 37 Grad. Zucker in der Milch auflösen. Germ oder Trockengerm zur Milch geben und gut umrühren. Nach acht bis zehn Minuten sollten ganz viele Bläschen auf der Oberfläche entstanden sein.

Das Mehl in eine große Schüssel leeren, mit Salz und Kürbiskuchengewürz vermischen. Eine Mulde machen und zwei Drittel der geschmolzenen Butter dazugeben, dann das Kürbispüree und die Eidotter. Dann das Dampfl dazugeben, für circa fünf Minuten mit einem Kochlöffel den Teig immer vom Rand der Schüssel wegschlagen oder die Masse mit dem Teighaken im Mixer kneten lassen.

Aus dem Teig etwas Kugelartiges formen, an einen warmen Ort stellen und für circa eine halbe Stunde gehen lassen – oder bis der Teig sich verdoppelt hat. Tipp: Ich verwende eine elektrische Heizdecke, auf niedrigste Stufe eingestellt. Die sind sehr günstig und man kann damit perfekt die Wärme einer Backstube simulieren. Die Decke schlage ich einmal ein, sodass der Teig gleichmäßig von unten und oben Wärme bekommt.

Foto: Ella Josephine Esque

Schnecken machen: Die Arbeitsfläche gut mit Mehl bestäuben und den Teig darauf zu einem Rechteck auswalken, das circa 40 mal 30 Zentimeter groß ist.

Füllen: Den Teig mit der restlichen braunen Butter bestreichen. Die Zutaten für die Füllung mischen und gleichmäßig auf dem Teig verstreuen, auf einer der kürzeren Seiten circa zwei Zentimeter frei lassen. Den Teig von der anderen Seite her längs zusammenrollen, sodass das freie Stück zum Schluß kommt, damit man die Teigrolle zusammenkleben kann. Das Rollen geht nie ganz perfekt, weil der Teig sehr weich ist – nicht aus der Ruhe bringen lassen.

Die Rolle mit einem scharfen Messer ohne nennenswerten Druck und mit sanften Sägebewegungen in circa drei Zentimeter breite Scheiben schneiden.

Zwei 26- oder 28-Zentimeter-Formen mit Backpapier auslegen oder einfetten und die Schnecken gleichmäßig darin verteilen. Wenn alle Schnecken in der Form sind, mit einem feuchten Geschirrtuch bedecken und nochmals circa eine halbe Stunde gehen lassen.

Ofen auf 180 Grad vorheizen. Kürbis-Zimt-Schnecken 25 Minuten backen, bis sie goldig und knusprig sind. Herausnehmen und auskühlen lassen.

Frischkäseguss: Frischkäse mit der Milch verrühren, bis er weich ist, dann den Zucker und das Vanilleextrakt unterheben. Über die Schnecken geben – und genießen!  Tipp: Ich gebe den Frischkäseguss immer erst knapp vor dem Servieren drauf. Was ich davon nicht brauche, bewahre ich im Kühlschrank auf. Die Schnecken halten sich ohne sehr gut ein paar Tage, und wenn Besuch kommt, einfach frisch mit Frischkäseguss servieren.

Kürbiskuchengewürz
Foto: Ella Josephine Esque

Auf meinem Blog können Sie nachlesen wie man einfach ein schnelles Kürbispüree macht und wie man selbst die Gewürzmischung Kürbiskuchengewürz mischt. (Ella Josephine Esque, 10.10.2019)

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