SJ-Vorsitzende Julia Herr kritisiert die fehlende inhaltliche Neupositionierung der SPÖ nach der Wahlniederlage.

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Die roten Jugendorganisationen haben am Montagabend geschlossen die Sitzung des SPÖ-Bundesparteivorstands verlassen. Damit boykottierte man indirekt die Kür von Christian Deutsch zum Bundesgeschäftsführer, machte andererseits aber ein einstimmiges Votum möglich.

Die Vorsitzende der Sozialistischen Jugend, Julia Herr, ist mit den Weichenstellungen in ihrer Partei nach der Wahl nicht einverstanden: Die SPÖ müsse sich inhaltlich, organisatorisch und personell neu aufstellen, twitterte sie – und: Sie habe "nach heutiger Sitzung das Gefühl, dass wir das noch öfter fordern müssen, bis wir das umsetzen. Haben Sitzung vorzeitig verlassen, weil sinnlose Diskussion."

Die 27-Jährige hatte auf dem siebenten Platz der SPÖ-Bundesliste kandidiert und bleibt ohne Nationalratsmandat. Dass aber genau sie kein Mandat erhält, weil der zurückgetretene Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda im Nationalrat bleibt, ärgert die Jungen. Herr will die personellen Entscheidungen aber nicht kommentieren. Auch die Junge Generation forderte eine umfassende Neuaufstellung.

Bei der Sitzung dürfte es hoch hergegangen sein, vor allem zwischen der Zweiten Nationalratspräsidentin Doris Bures und den Vertretern der Jugend. Im "Kurier" wird der Satz kolportiert: "Die Jugendorganisationen sind der Untergang der Sozialdemokratie." Bures ließ das bestreiten und will gesagt haben: "Wenn wir nicht solidarisch miteinander umgehen, ist das der Untergang der Sozialdemokratie." Auch Herr betonte, dass das kolportierte Zitat nicht gefallen sei.

Nach dem historisch schlechtesten Wahlergebnis für die SPÖ hat es erste personelle Konsequenzen gegeben: Thomas Drozda ist als Bundesgeschäftsführer zurückgetreten.
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Parteichefin Pamela Rendi-Wagner erklärte am Abend, sie vertraue Deutsch zu 100 Prozent. Mindestens genauso empfinden Bures und Wiens Bürgermeister Michael Ludwig, deren Intimus der neue Bundesgeschäftsführer seit vielen Jahren ist – und beider Wort hat in der Partei noch immer starkes Gewicht.

Genau dieses Machtverhältnis kritisierte Eva Maltschnig, Vorsitzende der parteikritischen Sektion 8 innerhalb der SPÖ, am Dienstag im Ö1-"Mittagsjournal". Derzeit entscheide in der SPÖ "eine kleine Clique, ohne auf die Stimmen von Basismitgliedern hören zu müssen". Man sehe, wohin das führe. Das Vertrauen sei nicht ausreichend, um dieser Clique alle Entscheidungen zu überlassen, so Maltschnig.

Unterstützung aus Kärnten

Die Kärntner SPÖ stärkte der Parteichefin indes den Rücken. An Rendi-Wagner habe es "keine negative Kritik" gegeben. Sie habe im Wahlkampf an Kontur gewonnen, ihr Bekanntheitsgrad sei aber nie vergleichbar mit dem der "gestandenen Politikprofis" der Mitbewerber gewesen.

Das Programm sei im Wahlkampf neben "Großmannssucht, Gucci-Taschen, Schreddereien und Ibiza-Videos" untergegangen. Nun müsse die SPÖ eine Strategie entwickeln und die sozialdemokratische Geschichte erzählen, so Landesparteichef Kaiser.

Deutsch: Ein rotes Urgestein

Deutsch selbst ist kein neues Gesicht in der roten Partei. Zahlreiche Wahlkämpfe hat er schon organisiert: von der Wien-Wahl bis zur Wehrpflicht-Volksbefragung. Er gilt auch als enger Vertrauter von Ex-Bundeskanzler Werner Faymann.

Außerdem ist er für zwei große innerparteiliche Debatten der letzten Jahre zumindest mitverantwortlich. Einmal stieß er einen zweijährigen Machtkampf um Michael Häupls Nachfolge an, als er sagte, Häupls Jahre als Bürgermeister seien gezählt. Sein Kandidat Michael Ludwig setzte sich schließlich gegen Andreas Schieder durch.

Auch an Christian Kern äußerte Deutsch Kritik via Twitter und läutete damit die Obmanndebatte im Vorjahr ein. Wenige Wochen später war Kern Geschichte und hinterließ eine gespaltene Partei. (sefe, red, APA, 1.10.2019)