Die Molekularbiologin Sandra Schick untersucht, wie Geninformation organisiert ist.

Foto: CeMM

In jeder seiner Zellen ist der gesamte Bauplan des Menschen vorhanden. Die aneinandergereihten DNA-Moleküle ergeben jeweils eine Länge von etwa zwei Metern. Um so viel Information auf so wenig Raum unterzubringen, hat sich die Natur ein besonderes Ordnungssystem überlegt. Immerhin müssen die einzelnen Gene in der verwickelten Struktur zugänglich bleiben – denn Gene müssen abgelesen oder ausgeschaltet werden.

Sandra Schick, Postdoktorandin am CeMM Forschungszentrum für Molekulare Medizin der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW), hat untersucht, wie man ein System, das die DNA zugänglich macht, bei der Behandlung von Krebserkrankungen nutzen könnte.

Für ihre Arbeit, die vor kurzem im Fachjournal Nature Genetics erschien, wurde Schick mit dem Life Science Research Award 2019 der Österreichischen Gesellschaft für Molekulare Biowissenschaften und Biotechnologie (ÖGMBT) ausgezeichnet.

Mutationen

"Die Struktur gleicht einer Perlenkette. Die einzelnen Perlen werden von speziellen Proteinstrukturen, den Histon-Oktomeren, gebildet, um die sich einzelne DNA-Abschnitte winden", erklärt Schick, die seit 2016 in der Gruppe von Stefan Kubicek am CeMM tätig ist und deren Forschungen dort im Rahmen des Christian-Doppler-Labors für Chemische Epigenetik entstanden.

Um Geninformationen zugänglich zu machen, müssen diese Perlen beliebig verschoben oder entfernt werden können, was von sogenannten Chromatin-Remodellierungskomplexen erledigt wird. Mutationen in einem davon, dem BAF-Komplex, werden mit jeder fünften Krebserkrankung in Verbindung gebracht. Ihn hat Schick näher untersucht.

BAF-Komplexe bestehen aus zahlreichen Untergruppen. Mutationen haben meist zur Folge, dass einer dieser Bausteine wegfällt. "Wir haben systematisch untersucht, wie sich das auf die Funktion der gesamten BAF-Komplexe auswirkt und wie sich die DNA-Zugänglichkeit verändert", sagt Schick.

Entsteht Krebs, wäre es wünschenswert, Zellen mit fehlenden BAF-Untergruppen ausschalten zu können. Dazu wandten Schick und Kollegen das Konzept der "synthetischen Letalität" an: "Wir haben jeweils nach einem zweiten Baustein gesucht, der nur in Kombination mit der durch Mutation weggefallenen Untergruppe die Zelle absterben lässt. Normale Zellen sollten unbeeinflusst bleiben", erklärt die Molekularbiologin.

Eine vertiefende Untersuchung dreier vielversprechender Kombinationen zeigte, dass das gewünschte Ergebnis in verschiedenen Krebszelllinien eintritt.

Die 1987 geborene Forscherin wuchs nahe Mainz auf. Die Johannes-Gutenberg-Universität und das Institut für Molekulare Biologie in Mainz, die Johns Hopkins University in Baltimore und das Deutsche Krebsforschungszentrum in Heidelberg waren ihre Stationen vor Wien.

"Ich löse gerne Rätsel und freue mich zu sehen, wie sich Puzzleteile zusammenfügen", skizziert Schick eine Motivation für ihre Arbeit. Eine andere Art der Motivation benötigte sie nach getaner Arbeit: Die begeisterte Bergwanderin erklomm zur Feier des Nature Genetics-Papers den Großglockner. (Alois Pumhösel, 6.10.2019)