Kreative Buchführung ist nicht immer gesetzeskonform. Kreative Wirtschaftswissenschafter suchen nach neuen Ansätzen.

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Multinationale Unternehmen sind oft ebenso kreativ wie erfolgreich bei der Steuervermeidung. Legendär ist das Beispiel von Apple: Der IT-Gigant zahlte in Irland bis vor wenigen Jahren trotz Milliardengewinnen minimale Steuerquoten, die 2014 sogar nur 0,005 Prozent des Gewinns betrugen.

Eine von zahlreichen Methoden zur Steuerreduktion sind die sogenannten Verrechnungspreise. Erbringt beispielsweise eine Landesgesellschaft eines multinationalen Konzerns eine Leistung für eine Tochter desselben Konzerns in einem anderen Land, zahlt Letztere dafür eine gewisse Summe. Durch hoch angesetzte Verrechnungspreise können Konzerntöchter in Hochsteuerländern so ihre Gewinne schmälern und damit die Steuerlast reduzieren.

Regeln gegen Steuervermeidung

"Der Verrechnungspreis ist ursprünglich ein betriebswirtschaftliches Instrument zur Steuerung und Koordination von Unternehmen", sagt Clemens Löffler, Senior Researcher am Competence Center for Strategy & Competitiveness an der FHWien der WKW. Er dient der Konzernleitung etwa dazu, Kostenwahrheit über die einzelnen Stufen einer Produktionskette zu erhalten bzw. den Wert der einzelnen Zwischenprodukte zu ermitteln.

"Je größer die Unternehmen geworden sind und je multinationaler ihre Leistungserstellung, desto mehr haben sie davon Gebrauch gemacht, mit Verrechnungspreisen Gewinne von einem Land ins andere zu verschieben", sagt Löffler.

Inzwischen hat die OECD gesetzliche Regeln erlassen, die dieser Praxis einen Riegel vorschieben. Die Festsetzung von Verrechnungspreisen über Landesgrenzen hinweg unterliegt heute klaren Bedingungen. Unternehmen müssen die Gestaltung eines Verrechnungspreises im Streitfall vor den nationalen Steuerbehörden rechtfertigen.

Die OECD-Regeln lösen das Problem der Steuertrickserei zwar recht effektiv. Allerdings erschweren sie gleichzeitig Konzernen die Nutzung von Verrechnungspreisen für ihren ureigensten Zweck – die Unternehmenssteuerung und damit letztlich die Gewinnmaximierung.

Um die Kosten produzierter Einheiten miteinander vergleichen zu können, versuchen Konzerne im Allgemeinen nämlich, Aufschläge zwischen ihren Tochtergesellschaften möglichst gering und gleichmäßig zu halten. "Es gibt zwar viele andere Instrumente zur Unternehmenssteuerung, aber das Verrechnungspreis-System hat sich als sehr gut handhabbar erwiesen, deshalb verwenden die Firmen es gerne", sagt Löffler.

Kostenwahrheit

Mittels eines theoretischen Modells hat Löffler einen Lösungsvorschlag entwickelt, der den Zielkonflikt zwischen Steuerfairness und effizienter Unternehmenskoordination entschärfen soll. Die Grundidee besteht darin, die betriebswirtschaftliche Verzerrung der Kostenbewertung, die ein gesetzlich reglementierter Verrechnungspreis auf internationaler Ebene verursacht, an einer anderen Stelle im Unternehmen wieder aufzulösen – und zwar auf nationaler Ebene.

Das funktioniert gemäß dieser Theorie dadurch, dass man ein Unternehmen, das eine Leistung von einem anderen Unternehmen desselben Konzerns aus einem anderen Land erhält, in zwei Einheiten aufteilt.

Ein vereinfachtes Beispiel: Ein Unternehmen aus Land A liefert Stahlrohre an seine Schwestergesellschaft in Land B, die daraus Gartenmöbel herstellt. Der dafür zulässige Verrechnungspreis unterliegt den internationalen Regularien. Nun teilt sich das Unternehmen in Land B in zwei Einheiten.

Die eine Einheit produziert die Möbel, die andere übernimmt den Vertrieb. Zwischen den beiden Einheiten kann nun ein Verrechnungspreis vereinbart werden, der rein national und damit weitgehend frei gestaltbar ist. "Diesen Verrechnungspreis kann das Unternehmen nun so wählen, dass im Konzern insgesamt wieder Kostenwahrheit hergestellt wird."

Konflikte und Komplexität

Als "faulen Trick" will Löffler das nicht verstanden wissen. "Man verhält sich damit ja völlig steuerkonform. Es geht hier nur darum, die Verzerrung, die durch die Richtlinien der internationalen Verrechnungspreise hereinkommen, wieder rauszubringen." Insbesondere entgehen weder dem Land, in dem die Aufsplittung stattfindet, noch dem Land, aus dem Zwischenprodukte geliefert werden, Steuereinnahmen.

Der Ansatz erzeugt allerdings möglicherweise neue Probleme. Denn durch die Aufspaltung eines Unternehmens entstehen Schnittstellen, und die Gesamtkomplexität steigt. Ob sich das vorgeschlagene Modell wirklich lohnt, ist deshalb stets im Einzelfall zu untersuchen. Löfflers Forschung versteht sich aber ohnehin nicht als Empfehlung für Betriebe.

Es ist eine grundlagenwissenschaftliche Arbeit, die den Nachweis erbringen möchte, dass der Zielkonflikt zwischen Steuerfairness und Unternehmenssteuerung auf die geschilderte Weise tatsächlich lösbar ist.

Eine daran anknüpfende empirische Forschungsfrage könnte nun lauten, ob Unternehmen einen derartigen Ansatz bereits in der Realität einsetzen. Falls ja, ergäbe sich daraus eventuell eine theoretische Erklärung dafür, warum sich viele Firmen immer öfter in kleinere Einheiten aufspalten. (Raimund Lang, 7.10.2019)