Frank Fenstermacher, Kurt "Pyrolator" Dahlke und Moritz Reichelt sind Der Plan.

Foto: Oliver Schultz-Berndt

Einer der wichtigsten deutschen Protestsongs aller Zeiten ist vielleicht gar nicht so bekannt. Vor allem auch ist er kaum auf einer Kumbaya-my-Lord-Gitarre spielbar. Kann sich noch jemand an die billigen monophonen Synthesizer aus den frühen 1980er-Jahren erinnern? Sie hatten verschiedene Rhythmen einprogrammiert und passten in jede Manteltasche. Mit dem Casio VL-1 konnte man im Alleingang eine Band gründen, ohne schwitzend Instrumente zu lernen oder zu üben.

Gefährliche Clowns

Der Schlagzeuger war eingebaut und spielte Rock 1 und 2, aber auch Swing, Waltz oder den Beguine oder die Rhumba. Beim Instrumentenklang konnte man zwischen Fantasy, Violin oder dank eingebauten Mikrofons einsekündigen, frei gestaltbaren Samples wählen. Trio wurden damit und ihrem Hit "Da Da Da" zwei Minuten lang zu Weltstars. Die interessanteren deutschen Kollegen aus dem Segment "Keyboard für 150 Deutsche Mark" waren allerdings Andreas Dorau mit "Fred vom Jupiter" oder Der Plan mit ihrem Schrei nach Anarchie:

"Da vorne steht 'ne Ampel, komm schnell, sie leuchtet rot. Alle Leute warten, doch wir, doch wir, doch wir, doch wir sind schon längst fort. Ich will nicht gerne bei Rot steh'n, ich will nicht nur bei Grün geh'n, ich will auch mal bei Rot geh'n. Da vorne ist 'ne Ampel, komm schnell, sie leuchtet rot. Alle Leute warten, doch wir, doch wir sind schon längst fort."

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Was heute von vielen E-Scooter- und BMW-Fahrern längst als Selbstverständlichkeit im Sinne einer individuellen Freiheit praktiziert wird, stolperte und torkelte damals als charmant-dilettantische Hymne von drei Düsseldorfer Musikern daher. Das Trio Der Plan bildete im Jahr 1983 die exakte Schnittmenge aus dem avantgardistischen Verfremdungs-Pop der bösen Clowns The Residents aus San Francisco und dem kühlen, auf dem Reißbrett entstandenen Techno-Romantizismus ihrer im Düsseldorfer Stadtteil Schnöselhausen beheimateten Nachbarn Kraftwerk. Eine auf keiner Kunstschule erlernbare, mit großer Grandezza ausgeübte Wurschtigkeit kam noch dazu.

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Frühe Videos von Der Plan wie eben "Da vorne steht 'ne Ampel", der sagenhafte Ohrwurm "Gummitwist" oder auch unwirschere Titel ihres Debütalbums "Geri Reig" von 1979 wie "Gefährliche Clowns", "Die Welt ist schlecht" oder "Heinz, komm zum Feuer" entwerfen eine Pappmaché-Welt, die ganz bewusst an "Das Cabinet des Dr. Caligari" erinnert, wenn es 1920 den Farbfilm und LSD gegeben hätte.

Über die Jahre schufen die Musiker Moritz Reichelt, der auch bei den Fehlfarben beschäftigte Frank Fenstermacher sowie Kurt "Pyrolator" Dahlke "elektronische Schlager" außerhalb gängiger Strickmuster. Angesichts ihres Werkkatalogs voller angriffslustiger, verstrahlter Kinderlieder kann hier ruhig von heiligem Narrentum gesprochen werden.

Schludern mit gutem Gefühl

Am Ende ist es dann auch völlig egal, ob die Musik von Der Plan damals in der Hochzeit der "Neuen Deutschen Welle" tatsächlich auf einem Casio eingespielt wurde. Könnte auch sein, dass bei Onkel Günther eine nicht gebrauchte Alleinunterhalterorgel aus dem Keller geholt und gemeuchelt wurde. Vielleicht hatte auch jemand eine Erbschaft gemacht und konnte sich einen Korg-Synthesizer mit ganz vielen Kabeln zum Stecken leisten. Hauptsache, billig musste es klingen. Und mit gutem Gefühl hingeschludert.

Professor Tiki's Curiosity Channel

Das aktuelle Album "Unkapitulierbar" beinhaltet in dieser Tradition stehende Perlen wie den Bierzelttechno "Lass die Katze stehn" oder den elektrischen Lagerfeuersong "Es heißt: die Sonne" mit dem schönen Satz: "Trag Sonne im Herzen und einen lustigen Hut."

Andreas Dorau kommt dieses Mal auch mit nach Wien. Zuletzt hat er ein Popalbum nur mit Refrains aufgenommen. Strophe kann jeder. Und jetzt alle! (Christian Schachinger, 2.10.2019)