Beim Europäischen Reh kann sich die Fütterung im Winter mit energiereichem, leicht verdaulichem Futter auf den Pansen schlagen.

Foto: www.capreolus.at

Das Reh (Capreolus capreolus) war bis in jüngerer Zeit eigentlich ein eher selten anzutreffendes Huftier. Erst im Verlauf des 19. Jahrhunderts stiegen die Bestandszahlen der inzwischen häufigsten Hirschart Europas dramatisch an. Um ihnen das Überleben in der kalten Jahreszeit zu erleichtern, ist es in einigen europäischen Ländern – darunter auch in Österreich – üblich, die Wildtiere im Winter zusätzlich zu füttern.

Wie sich die Verfügbarkeit von leicht verdaulichem, energiereichem Futter im Winter auf den Verdauungsapparat der Wildwiederkäuer auswirkt, war jedoch bislang nicht ausreichend verstanden. Dies ist besonders bei diesen Tierarten relevant, da heimische Wildwiederkäuer ausgeprägte jahreszeitliche Veränderungen von physiologischen Vorgängen, unter anderem auch im Verdauungsapparat während der kalten Jahreszeit aufweisen.

Mit und ohne Winterfütterung

Forscher rund um Stefanie Wetzels und Gabrielle Stalder von der Vetmed-Uni Vienna sind deshalb der Frage nachgegangen, inwieweit die winterliche Nahrungsergänzung die bakterielle Zusammensetzung im Pansen beeinflusst. Zu diesem Zweck untersuchten die Wissenschafter die Zusammensetzung der Pansenbakterien von freilebenden weiblichen Rehen. Dabei wurden Tiere aus einem Gebiet mit zusätzlichen Fütterungsstellen mit solchen verglichen, die ausschließlich auf natürliches Futter angewiesen waren.

Bei der Analyse der Daten zeigten sich deutliche Unterschiede. "Die Ergebnisse unserer Studie lassen darauf schließen, dass die Versorgung von Rehen mit leicht fermentierbaren Ergänzungsfuttermitteln im Winter die bakterielle Population im Pansen von Rehen signifikant beeinflusst und ähnlich negative Veränderungen wie bei domestizierten Wiederkäuern hervorrufen kann", erklären die Forscher.

Unterschiede bei der Mikrobiota-Zusammensetzung

Im Detail zeigen die im Fachjournal "Wildlife Biology" veröffentlichten Ergebnisse einen deutlichen qualitativen Unterschied zwischen der Mikrobiota-Zusammensetzung der beiden untersuchten Populationen. Demnach fördert beispielsweise auch bei Rehen leicht fermentierbares Ergänzungsfuttermittel die Entwicklung von Bakterienstämmen, die bei Hauswiederkäuern zu Azidosezuständen – einer Störung des natürlichen Säure-Basen-Haushaltes – führen. "Die Veränderung der Pansen-Mikrobiota durch die Winterfütterung lässt eine negative Auswirkung auf den Gesundheitszustand von Rehen vermuten", so Wetzels und Stalder. (red, 6.10.219)