Ein Garten auf der Pferderennbahn Longchamp, Models gleiten als Gärtnerinnen in Hüten durch das temporäre Wäldchen: Die LVMH-Tochter Dior eröffnete die Pariser Fashion-Week im Zeichen der Umwelt. Auch der Konkurrenzkonzern Kering kündigte im Vorfeld der Modeschauen an, sich zu Klimaneutralität zu verpflichten. Nachhaltigkeit scheint in der High Fashion angekommen zu sein.

Bereits im August hatte Kering-CEO François-Henri Pinault den "Fashion Pact" mit Umweltzielen (Schutz der Ozeane und Biodiversität, Stopp der Erderwärmung) erarbeitet. 32 Unternehmen wie Prada, Adidas und H&M haben unterzeichnet. Doch wie viel echtes Engagement steckt hinter Initiativen wie diesen?

Stella McCartney demonstriert Umweltbewusstsein: Hier wirbt sie mit einer Aktivistin der Bewegung "Extinction Rebellion".
Foto: Stella McCartney

Greenpeace-Konsumentensprecherin Nunu Kaller vermutet hinter dem "Fashion Pact" Kalkül statt hehrer Ziele: "Das Abkommen ist eine reine Selbstverpflichtung, womöglich will man Gesetzen zuvorkommen." Schließlich seien Labels dabei, die mit Zehn-Euro-Jeans locken. Umwelt-Influencerin Madeleine Alizadeh alias "dariadaria" findet den Pakt zu kurz gedacht: "Nur 20 Prozent der globalen Modebranche haben unterzeichnet, so können die Klimaziele nicht erreicht werden."

Denn die Textilindustrie ist einer der größten Umweltsünder, wie eine Studie der Ellen-MacArthur-Stiftung zeigt. Mit 1,2 Milliarden Tonnen pro Jahr ist sie für mehr Treibhausgasemissionen verantwortlich als die Schifffahrt und der internationale Flugverkehr zusammen. Zudem trägt sie jährlich mit einer halben Million Tonnen Mikroplastik zur Verschmutzung der Ozeane bei.

Grün ist das neue Schwarz

Dabei scheinen sich die Unternehmen zu bemühen: Prada und Burberry verwenden eine Nylonalternative namens Econyl, die aus alten Fischernetzen, Plastik- und Stoffresten hergestellt wird. In der "Re-Nylon"-Kampagne bewirbt Prada die ikonische Nylon-Bag – nun aus Econyl. Burberry stellt daraus auch Mäntel her.

Adidas will ab 2024 für Sportschuhe und -textilien nur noch recycelten Polyester aus alten PET-Flaschen verwenden. Doch Kleidung aus Polyester – egal ob wiederverwendet oder nicht – ist umweltschädlich: Beim Waschen gelangt Mikroplastik über das Abwasser ins Meer. Zudem handle es sich bei der Herstellung der Textilien um Downcycling, erklärt Kaller. Denn PET-Flaschen könnten immer wieder zu neuen recycelt werden, bei Kleidung wird das nicht gemacht. So landet der Polyester im Müll und im Meer.

Immer mehr Labels wollen sich einen grünen Stempel aufdrücken: Ralph Lauren hat im Frühjahr eine ähnliche Kampagne lanciert, bei der "Earth Polos" aus PET-Flaschen hergestellt werden. Versace will die nachhaltigste Lieferkette im Luxussegment. Stella McCartney bewirbt ihre Herbstkollektion mit Umweltaktivisten von Extinction Rebellion (siehe Bild). Und H&M bietet in immerhin drei Läden eine "Restore"-Kollektion aus unverkaufter Kleidung an.

Wer denkt um?

Das steigende Umweltbewusstsein der Kunden sollte ernst genommen werden: Im diesjährigen "Pulse of the Fashion Industry"-Bericht gaben 75 Prozent der Befragten an, dass ihnen Nachhaltigkeit "(sehr) wichtig" sei. 66 Prozent sind bereit, für grüne Produkte mehr zu zahlen. Und ein Drittel kauft bereits eine umweltfreundliche Alternative statt der Lieblingsmarke.

Prada und Ralph Lauren recyceln alte Rohstoffe für "Re- Nylon"-Bags (oben) oder "Earth Polos" (rechts). Wirklich nachhaltig sind sie dadurch nicht.
Foto: Prada, Ralph Lauren

Der Trend hält an: Einer McKinsey-Studie zufolge werden Marken, die (teilweise) nachhaltig arbeiten, in zehn Jahren 85 Prozent Marktanteil haben. Im Luxussegment sollen dann 90 Prozent der Kaufentscheidungen auf Nachhaltigkeitsbasis getroffen werden – aktuell sind es 20 Prozent.

Denn durch bewusste Kaufentscheidungen können Konsumenten viel bewegen. Oft genügt es schon, aufmerksam zu shoppen, wie Alizadeh betont: "Wenn ein Geschäft jeden Monat neue Teile hat, stecken da Unmengen an Ressourcen dahinter."

Ein hilfreiches Tool ist die Plattform "Rank a Brand", die Labels hinsichtlich ihrer sozialen und ihrer Umweltverantwortung bewertet: A ist die Bestnote, E steht für "Nicht kaufen". In der Kategorie "Luxusmarken" führt die umweltbewusste Designerin Stella McCartney das Ranking klar an.

Dennoch erhält sie nur ein C für "Vernünftig, könnte besser sein". Prada ist trotz "Re-Nylon" mit E bewertet, Dior und Versace mit Wald-Laufsteg und nachhaltiger Zulieferung ebenfalls. Vorreiter in Sachen Bekleidung sind Vaude und Saint Basics als einzige Textilhersteller mit A-Wertung.

Wirklich nachhaltig agieren die meisten Unternehmen also trotz medienwirksamer Initiativen nicht. "Dafür braucht es schon ein echtes Umdenken. Doch Art und Ausmaß der Kampagnen zeigt, dass es keines ist", so Kaller. Im Vordergrund steht wohl immer noch nicht die CO2-Reduktion, sondern die Absatzsteigerung. (Martina Reinegger, RONDO, 21.11.2019)