Die Bundeswahl ist geschlagen. Viel Zeit zum Wundenlecken oder Triumphmarschieren bleibt freilich nicht. Am 26. Jänner wird der burgenländische Landtag gewählt. Und nimmt man die heurigen Wahlen zum Maßstab, dann wird es da beinahe ums Ganze gehen. Sowohl bei der Europawahl im Mai als auch – oder vor allem – bei der Wahl am vergangenen Sonntag lag die seit 1970 immer Zweite gewesene ÖVP deutlich vor der SPÖ.
Und nimmt man die Nationalratswahl des Jahres 2017 dazu, bei der die ÖVP gerade einmal 212 Stimmen hinter der SPÖ gelegen ist, ergibt sich daraus schon ein Trend, den auch die Genossinnen und die Genossen nicht mehr sehr leicht schönreden können.
Im Jänner geht es also um nichts weniger als um den Landeshauptmann, den die SPÖ seit dem Jahr 1964 stellt. Eine Bastion der Sozialdemokratie! Letztes Bollwerk vor der Wiener Burg, die wohl im Herbst nächsten Jahres zu verteidigen sein wird.
Tief türkis
Die ÖVP – die burgenländischen Schwarzen sind, wenn man das so sagen kann, tief türkis – hat in dieser Woche schon begonnen, den Schwung des Siegers mitzunehmen in einen heißen Herbst. Eine erste Plakatwelle rollt durchs Land. Sebastian Kurz strahlt da mit Landeschef Thomas Steiner sozusagen um die Wette. Gemeinsam hat man ja ziemlich was vor. "Eine Vision. Ein Weg. Auch im Burgenland." Und zwar "Ohne Wenn und Aber".
Letzteres versuchen freilich die roten Kontrahenten einzuwenden. Ihrerseits ohne Wenn, aber doch mit einem vorsichtigen Aber. Roland Fürst, seit August amtierender Co-Geschäftsführer, will "nichts schönreden, es ist eine Niederlage". Aber: "Im Burgenland konnten wir sie zumindest etwas abfedern." Oder anders: Siechst, so bescheid'n bin i wurn. Unter dreißig Prozent. Aber: bestes Länderergebnis.
Verklüngelung
ÖVP und SPÖ trennen im Burgenland nunmehr 16.500 Stimmen, neun Prozentpunkte. Zwischen Türkis und Rot passen locker die Grünen (14.928) oder die halbe FPÖ (32.334). Thomas Steiner beschwört die Seinen – eingedenk der ewige Wahrheit, dass Bäume nie bis in den Himmel wachsen –, ja nicht abzuheben deshalb. "Dieser Erfolg bei den Nationalratswahlen ist keineswegs eins zu eins umzulegen aufs Land."
Aber, und das sagt er schon auch: "Es ist eine riesige Motivation." Eine Motivation für all die jungen Läufer, die Funktionäre und Propagandisten, von denen die türkise Botschaft durch die Dörfer getragen wird.
In den späten, stilleren Stunden, wenn die schwarze Luft der Nachdenklichkeit das grell-trübe Scheinwerferlicht verdrängt, gesteht so mancher Genosse und so manche Genossin schwere diesbezügliche Versäumnisse in der Vergangenheit. Die SPÖ hat sich an der Basis – allen Öffnungsbeteuerungen zum Trotz – nach Greisenart zunehmend verklüngelt.
Alte Säcke
Viel ist schon geredet worden über den Verlust der Gemeindebauten in Wien, wo die Sektionslokale zu reinen Altenbetreuungseinrichtungen geworden sind. Ähnliches hat sich im Burgenland in den Ortsgruppen ereignet. In früheren Zeiten sprudelte und wurlte es hier. Die Jungen drängten vehement – manchmal rüpelhaft rempelnd – hinein, nicht selten gegen den Unwillen der alten Säcke. Das hat der SPÖ nicht schlecht getan. Rot war einmal, Heutige wollen das kaum glauben, cool.
Heute sind die damals Jungen die alten Säcke. Dem Zug der Zeit folgend, will freilich niemand hören, wie die Zeit vergangen ist.
Geilomobile Dinge
Die ÖVP dagegen ist auch im Burgenland eine ziemlich junge Partie geworden – und hat damit gewonnen, was einst die SPÖ so ausgezeichnet hat: die leidenschaftliche Mobilisierungsfähigkeit. Klar, da kommt jetzt auch das Image des Siegers dazu. Aber insgesamt lässt sich auch im Burgenland nun sagen: Türkis ist cool.
Absehbar war das durchaus seit vielen Jahren. Während sich breitflächig JVP-Ortsgruppen formierten und umtriebig Dinge taten – gar keine politischen Dinge, sondern coole Dinge, geilomobile Dinge, Partydinge, Pubertätsdinge, Mandl-Weibl-Dinge –, saßen grau gewordene SJler mit der Wanderklampfe ums Lagerfeuer, sangen "Bella ciao". Und das in der althergebrachten Unerschütterlichkeit: Mit uns zieht die neue Zeit!
Tödliche Jugend
Ja, gut: Das war jetzt böse. Aber genauso kann man es hören, wenn die schwarze Luft der Selbstkritik sich vor die halbamtliche Analyse des Parteivorstandes schiebt.
So böse aber auch wieder nicht. Julia Herr etwa, die burgenländische Bundes-SJ-Chefin – ein Gottseibeiuns auch der burgenländischen Granden – scheint für Doris Bures, die Grandin aus dem Nationalratspräsidium, tatsächlich eine mephistophelische Erscheinung zu sein. Eine wie 2017 die burgenländische Junggrüne Flora Petrik für die Eva Glawischnig. Der "Kurier" zitiert Bures mit den Worten: "Die Jugendorganisationen sind der Tod der Sozialdemokratie."
Richtigste Richtung
Den burgenländischen Roten bleibt für den Jänner aber immer noch Hans Peter Doskozil. Je desaströser die Wahlergebnisse, desto stärker wird der – stimmlich gerade schwer angeschlagene – Mann aufgeladen mit einer sehnsüchtig herbeigebeteten Heilsfähigkeit. Dosko, wie sie ihn nennen, ist einer jener, der glaubwürdig nicht jene Richtung einschlagen wollen, von der Pamela Rendi-Wagner sagt, sie stimme eh.
Doskozil empfiehlt erst Ein-, dann Umkehr. Man solle das Ergebnis einmal sine ira et studio analysieren. Und das in der Opposition. Und dann auf dem burgenländischen Weg die wirklich richtige Richtung einschlagen. Obwohl er andererseits – das große Wort des SPDlers Franz Müntefering gelassen aussprechend –immer gesagt hat: Opposition ist Mist.
Zeit ist's
Im Burgenland hat, so scheint es jedenfalls im Licht der jüngsten Wahlen, die ÖVP die Ein- und Umkehr schon halbwegs hinter sich. Erstmals seit ewig ist die alte, behäbige, fade, durch allerlei Zöpfe festgezurrte Partei seit 2015 in Opposition. Erst schwerfüßig, dann doch lauffreudiger, zuletzt gar scharfzüngig, ja schnippisch zuweilen.
Nun sei man so weit, wieder den Regierungsanspruch zu erheben. Nein, auf den Landeshauptmannsitz werde er – "realistischerweise" – nicht schielen. Aber, sagt Landeschef Thomas Steiner: "Es wird Zeit, dass in der Landesregierung wieder ein bürgerlicher Teil zu finden ist." Die pannonische ÖVP starte zwar für den Jänner bei 29 Prozent, dem Landtagswahlergebnis aus dem Jahr 2015. Aber man breite die Flügel aus. Und hoffe schon auf den Aufwind des Sebastian Kurz.
Tolles Ergebnis
Den verspüren auch die Grünen, die sich im Burgenland traditionell sehr schwer tun. Sie starten bei 6,4 Prozent, haben unter den Flügeln aber den Kogler'schen Wind von acht Prozent. Regina Petrik, die so gelassene Mutter der Flora, sagt: "Wir hoffen, dass wir den Schwung in die Landtagswahl mitnehmen können."
Genau das hoffen die Blauen, die Regierungspartner, nicht. Obwohl Landesparteichef und Landeshauptmannstellvertreter Johann Tschürtz die leidige Angelegenheit nicht ganz so schwarz sieht wie viele andere in seiner Partei. Sondern sogar von einem "tollen Ergebnis" spricht. Kurz und/oder gut: Die Richtung stimmt. (Wolfgang Weisgram, 2.10.2019)