Es gibt weniges derzeit, wofür man die britische Politik bewundern kann. Aber in einer Sache ist London Weltspitze: beim Tempo, in dem dort nach einer Wahl die Regierung gebildet wird. Das geschieht meist über Nacht, und selbst Koalitionsvereinbarungen werden innerhalb weniger Tage fixiert.

In Österreich wäre das schon allein aufgrund der rechtlichen Fristenläufe nicht möglich. Und bei den drei oder vier Koalitionsoptionen, die dem Wahlsieger Sebastian Kurz zur Verfügung stehen, wird man sich bis zur Angelobung einer neuen Regierung, die anders als das Kabinett Bierlein regieren kann und nicht nur verwaltet, etwas gedulden müssen. Aber dass die Regierungsbildung bis Ostern 2020 dauert, wie zahlreiche Beobachter wie etwa der Politikwissenschafter Anton Pelinka spekulieren, darf sich nicht bewahrheiten. Selbst unter schwierigen Umständen lassen sich bis Jahresende eine Koalition, ein Regierungsprogramm und ein Kabinett auf die Beine stellen. Länger zu warten schädigt die Demokratie.

Stärken und Schwächen

Alle Fakten, die Kurz braucht, um die Stärken und Schwächen seiner potenziellen Koalitionspartner abzuschätzen, liegen bereits auf dem Tisch. Wenn er die Koalition mit der nun geschwächten FPÖ wiederaufleben lassen will, dann soll er das sofort tun, statt monatelang am Verhandlungstisch mit Grünen, Neos und SPÖ Theater zu spielen. Kommt es am Ende wieder zu Türkis-Blau, würde ihm ohnehin niemand glauben, dass er das nicht von Anfang an so gewollt hat.

Meint es Kurz hingegen ernst mit den Grünen – womöglich unter Einschluss der Neos -, dann beginnt ein Pokerspiel um eine zentrale Frage: Wie viel Klimaschutz muss er akzeptieren, damit er bei anderen Themen seinen türkisen Kurs mehr oder weniger fortsetzen kann? Dass es zu einer generellen CO2-Bepreisung kommen muss, ist klar; die Frage ist nur, wie hoch. Das bedingt schwierige Verhandlungen, die aber nicht leichter werden, indem man sie in die Länge zieht.

Kernpunkte aushandeln

Es ist in Österreich auch üblich geworden, in zahlreichen Arbeitsgruppen über Wochen umfangreiche Koalitionsübereinkommen auszuhandeln. Aber diese Dokumente sind lange nicht so nützlich wie gerne behauptet und den Aufwand oft nicht wert. Meist wechseln sich darin vage formulierte Ziele mit höchst detaillierten Vorhaben ab – und selbst diese werden selten eins zu eins umgesetzt. Im Koalitionsalltag ist das ursprüngliche Programm zwar eine gemeinsame Grundlage, aber kein verbindlicher Auftrag. Die großen Herausforderungen für eine Regierung lassen sich ohnehin nicht auf fünf Jahre voraussagen.

Deshalb würde es ausreichen, einige Kernpunkte auszuhandeln, statt sich in Details zu verrennen, und dann einen effektiven Mechanismus für gemeinsame Beschlüsse und Beilegung von Streitigkeiten zu etablieren. Ein solches Vorgehen muss keine Ewigkeit dauern und würde es der grünen Basis erleichtern, ein solches Koalitionsabkommen abzusegnen.

Regierungsbildungen per Gesetz zeitlich zu begrenzen ist keine gute Idee; in Ländern wie Spanien oder Israel hat die Drohung mit Neuwahlen zuletzt tatsächlich zu einem weiteren Urnengang geführt. Es liegt an den Parteichefs, nicht aus taktischen Gründen auf Zeit zu spielen, sowie an den Medien und der Öffentlichkeit, den entsprechenden Druck zu schaffen: Eine neue Regierung zu Weihnachten ist kein Wunsch, sondern Pflicht. (Eric Frey, 3.10.2019)

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