Luxemburg – Leichtes Aufatmen bei Österreichs Universitäten, Frust bei Universitätsangestellten, die nur befristete Arbeitsverhältnisse haben: So lässt sich die Reaktion auf ein Urteil des Europäischen Gerichtshofs (EuGH) von Montag zusammenfassen. Der EuGH hält die unterschiedlichen Regelungen für Voll- und Teilzeitkräfte bei Kettenarbeitsverträgen an Österreichs Unis für potenziell EU-rechtswidrig.

Nun muss geprüft werden, ob die Regelung objektiv gerechtfertigt ist, urteilten die EU-Richter am Donnerstag. Diese Prüfung obliegt dem Wiener Arbeits- und Sozialgericht. Eine grundsätzliche Entscheidung über die Zulässigkeit von Kettenverträgen an Unis traf er allerdings nicht.

Ministerium und Uniko sehen Gericht am Zug

Universitätenkonferenz und Wissenschaftsministerium sehen die Kettenvertragsregelung an den Unis durch das Urteil nicht infrage gestellt, sondern sich in ihrer Haltung bestätigt. Mehrmalige Befristungen seien, wenn sie sachlich gerechtfertigt und im vorgegebenen Zeitrahmen passieren, laut EuGH unionrechtskonform, sagt Wolfgang Meixner, Vorsitzender des Dachverbandes der österreichischen Universitäten. Das sei an den Unis notwendige Praxis, um den Betrieb in seiner Vielfalt aufrechtzuerhalten.

Unabhängig davon wollen sie den entsprechenden Paragrafen des Universitätsgesetzes (UG) grundsätzlich überarbeiten. Ob weiter unterschiedliche Regeln für Voll- und Teilzeitkräfte gelten sollen, müsse das Gericht klären.

Immer wieder befristet

Anlass der EuGH-Entscheidung ist die Klage einer zwölf Jahre lang immer wieder befristet an der Medizin-Uni Wien beschäftigten Forscherin. In ihrer von der Arbeiterkammer unterstützten Klage sah diese eine Ungleichbehandlung von Frauen und Männern, weil an den Unis bei befristeten Dienstverträgen im Rahmen von Forschungs- und Drittmittelprojekten unterschiedliche Zeitgrenzen für Teil- und Vollzeitkräfte gelten. Vollzeitbeschäftigte dürfen aufgrund der Regelung für einen Zeitraum von bis zu zehn Jahren befristet beschäftigt werden, teilzeitbeschäftigte Arbeitnehmer hingegen bis zu zwölf Jahre.

Nicht zulässig

Grundsätzlich ist die mehrmalige Aneinanderreihung von befristeten Arbeitsverträgen nicht zulässig. Im UG sind aber Ausnahmen vorgesehen, neben Projektmitarbeitern gilt das auch für ausschließlich in der Lehre tätiges Personal und Ersatzkräfte wie Karenzvertretungen. Auch hier gibt es aber eine zeitliche Höchstgrenze von sechs (Vollzeitkräfte) beziehungsweise acht Jahren (Teilzeitkräfte). Diese verlängert sich auf zehn beziehungsweise zwölf Jahre, wenn etwa Forschungsprojekte fertiggestellt oder Publikationen abgeschlossen werden sollen.

Mittelbare Diskriminierung von Frauen

Genau hier setzte die Klage an: Die Arbeitnehmerin sah in der unterschiedlichen Zeitgrenze für Teil- und Vollzeitkräfte eine mittelbare Diskriminierung von Frauen, weil überwiegend Frauen in Teilzeit arbeiten. Die Frau begehrte die Feststellung eines unbefristeten Arbeitsverhältnisses. Das zuständige Arbeits- und Sozialgericht in Wien legte die Frage, ob die Bestimmung den unionsrechtlichen Vorgaben zur Gleichbehandlung von Frauen und Männern in der Arbeitswelt tatsächlich widerspricht, dem EuGH zur Vorabentscheidung vor.

Objektive Gründe

Der EuGH hält nun in seinem Urteil fest, dass eine Ungleichbehandlung von Voll- und Teilzeitkräften nur dann gerechtfertigt ist, wenn es dafür objektive Gründe gibt. Ob dem so ist, muss nun wiederum das Arbeits- und Sozialgericht prüfen. Dieses muss zusätzlich auf Basis von Daten klären, ob tatsächlich mehr Frauen als Männer von den unterschiedlichen Regelungen betroffen sind und die Regelung also Frauen diskriminiert. Als Erleichterung für die Klägerin hält der EuGH fest, dass es nicht ihre Aufgabe sei, diese Daten zu beschaffen, da sie zu diesen keine Zugang habe.

Keine Aussage zu Kettenverträgen

Keine Aussage trifft der EuGH zu der Frage, ob Kettendienstverträge generell dem EU-Recht widersprechen. Das vorlegende Gericht habe nämlich nicht um die Klärung dieses Punktes ersucht. Die EU-Kommission und der EU-Generalanwalt hatten hier zuletzt weniger Zurückhaltung gezeigt: Die Kommission hatte in ihrer Stellungnahme die gesetzliche Regelung der Kettenarbeitsverträge an Unis in Österreich als generell EU-rechtswidrig bezeichnet, weil sie sachlich nicht gerechtfertigt seien.

Die Aneinanderreihung von befristeten Arbeitsverträgen bis zu zwölf Jahren diene dazu, "den ständigen und dauerhaften" Personalbedarf zu decken und nicht nur einen zeitweiligen Arbeitskräftebedarf. Dieser Meinung schloss sich im Sommer auch der EU-Generalanwalt an und forderte, dass der EuGH die Kettenverträge auch unabhängig von einer möglichen Diskriminierung von Frauen prüfen solle. (APA, red, 3.10.2019)