Auf einer einst ungenutzten Brache im Nordwesten der Essener Innenstadt entstand die neue Zentrale der Funke-Mediengruppe.

Foto: tschinkersten fotografie

Innen wirkt die farblos-graue Inneneinrichtung überraschend uninspiriert.

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Im Foyer stehen zwei schwarze, stählerne Regale mit knallbunten Magazinen: Bild der Frau, Echo der Frau, Frau von heute, Frau aktuell, Frau im Spiegel, Zeit für dich, Superyou, Myself,Neue Welt und wie sie nicht alle heißen mögen. Hinzu kommen zwölf regionale Tageszeitungen, darunter Berliner Morgenpost, Hamburger Abendblatt sowie Westdeutsche Allgemeine Zeitung, kurz WAZ.

Der Name ist auch hierzulande ein Begriff, ist die ehemalige WAZ-Gruppe und nunmehrige Funke-Mediengruppe, wie das Verlagshaus seit 2013 heißt, doch Miteigentümerin an der österreichischen Kronen Zeitung. Wie viele Print- und Onlineprodukte die Funke-Mediengruppe derzeit herausgibt, vermag auch WAZ-Chefredakteur Andreas Tyrock nicht genau zu sagen. "Über hundert Medien werden es schon sein, vermute ich mal."

Mit dem stetigen Wachstum der Titel nahm auch die Zahl der Mitarbeiter kontinuierlich zu – bis die Geschäftsführung 2009 beschloss, den alten Standort in der Friedrichstraße aufzugeben und mithilfe des Consulters M.O.O.CON ein neues Grundstück zu finden und einen Wettbewerb für einen Neubau auszuschreiben. Das ersehnte Grundstück fand sich auf einer ungenutzten Brache im Nordwesten der Essener Innenstadt, auf der 2007 die Love-Parade veranstaltet worden war. Mit Wohnbau, Büros und Gastronomie sollte das stadtnahe Areal, das über U-Bahn-Anschluss verfügt, nachverdichtet werden.

Silbrig schimmernder Medienturm

2012 lobte Funke einen geladenen internationalen Wettbewerb aus. Obwohl das Wiener Architekturbüro Alles Wird Gut (AWG) damals nur den zweiten Platz belegte, gelangte der charakteristische Entwurf mit den schwarz verspiegelten Bürobalken und dem silbrig schimmernden Medienturm dennoch zur Ausführung. Der 46.000 Quadratmeter große Komplex umfasst mehrere Regional- und Magazinredaktionen mit insgesamt 1200 Mitarbeitern, eine Kantine, einen Betriebskindergarten, eine Garderobe mit Duschen, ein kleines Fitnesscenter mit bis zu 30 Kilogramm schweren Hanteln sowie ein möbliertes Eltern-Kind-Office mitsamt Spielecke, in das sich die Redakteure stunden- und tageweise einmieten können, sollten sie einmal mit Kind und Kegel ins Büro kommen. Großartige Idee.

"Die vielen bunten Cover in der Lobby sind nicht zu übersehen", sagt Tyrock. "Aber am hellsten und grellsten strahlt unsere Medientreppe." Zum Newsroom im ersten Stock gelangt man über einen 36-stufigen Stiegenlauf, dessen Setzstufen mit LED-Lampen bestückt sind und die gesamte Treppe auf diese Weise in ein leuchtendes, lebendiges Infoplakat verwandeln.

Innen überraschend uninspiriert

Innen wirkt die farblos-graue Inneneinrichtung, die mit den Interior-Planern Triad und Kinzo Architekten entwickelt wurde, überraschend funktional, nüchtern, uninspiriert. Alles ist proper, hat seine Ordnung. Die Papierkörbe wurden, um unkontrollierte Umzüge zu vermeiden, von den Innenausbau-Handwerkern an den Doppelboden geschraubt. Sieht so die Zeitungsredaktion der Zukunft aus? "Um ein Gebäude mit so vielen Mitarbeitern zu managen", sagt Heiko Hansler, Leiter Immobilien- und Facilitymanagement bei Funke, "braucht es manchmal praktische, unkonventionelle Lösungen." Im Gegensatz dazu erscheint das alte Sechzigerjahre-Chefbüro samt Sitzungszimmer, das aus dem alten Standort in der Friedrichstraße als 1:1-Installation übernommen und hinter Glas implantiert wurde, geradezu sinnlich und wohltuend.

Vom architektonischen Standpunkt her wirkt das schwarz verspiegelte Gebäude mit dunkel getönter Doppelfassade perfekt in Szene gesetzt. Während das städtebauliche Umfeld mit der benachbarten Limbecker Mall heterogen und zerfranst ist, tut sich vor dem schwarzen Office ein angenehmer, leicht abgetreppter öffentlicher Platz auf. "Wir wollten nicht nur ein akustisches Bollwerk zwischen Verkehrsachse und dahinterliegender Wohnbebauung schaffen", sagt Herwig Spiegl, Partner bei Alles Wird Gut Architekten, "sondern auch einen angenehmen Aufenthaltsraum für die Mitarbeiterinnen und Einwohner kreieren." Die schwarze Fassade, so der Architekt, sei eine Anspielung auf die Digitalisierung und das damit verbundene zunehmende Lesen auf Smartphone und Tablet.

So manche technische Herausforderung des Projekts liegt im tiefsten Inneren verborgen: Sämtliche Etagen sind auf insgesamt 21.000 m² Nutzfläche mit Betonkernaktivierung ausgestattet, die doppelschalige Fassade wurde – eine konstruktive Seltenheit – in fix fertigen Elementen geliefert, und für die 300 m² große Medienwall am runden Turm musste sogar ein ornithologisches Gutachten eingeholt werden. (Wojciech Czaja, 4.10.2019)