Von Luft und Liebe leben – geht es nach einem finnischen Start-up, könnte zumindest Ersteres bald Wirklichkeit werden. Solar Foods will einen Weg gefunden haben, Essen aus Luft, Wasser und Strom herzustellen.

Das Ziel ist, die Produktion von Lebensmitteln von der Landwirtschaft zu entkoppeln. Schon jetzt ist der globale Agrarsektor für bis zu 37 Prozent der globalen Treibhausgas-Emissionen verantwortlich, bei steigender Weltbevölkerung und höherem Lebensstandard muss bis Ende des Jahrhunderts noch mehr Essen produziert werden. "Wir könnten Teil der Lösung sein", sagte Solar-Foods-Mitgründer und Geschäftsführer Pasi Vainikka zum STANDARD.

Das leicht gelbliche Pulver soll neutral schmecken.
Foto: Solar Foods

Bakterien fressen CO2

Er vergleicht den Herstellungsprozess mit dem von Wein. Dort machen sich Bakterien über den Zucker in den Trauben her. Im Reaktor von Solar Foods bekommen die Organismen, die übrigens nicht gentechnisch verändert wurden, statt Zucker CO2 und Wasserstoff zu fressen. Das CO2 wird aus der Luft abgeschieden, der Wasserstoff kommt durch Elektrolyse dazu – also die Spaltung von Wasser mithilfe von Strom. Dieser werde ausschließlich aus erneuerbaren Quellen gewonnen.

Geschäftsführer Pasi Vainikka sieht den Einsatz seiner Erfindung in Fleischersatz-Produkten.
Solar Foods

Am Ende verlässt ein leicht gelbliches Pulver die Pilotanlage von Solar Foods, das mit einem Proteinanteil von 50 Prozent sehr nahrhaft sein soll. Solein hat das finnische Start-up die Luftnahrung getauft, wobei: "Wenn wir sagen, dass wir Essen aus Luft machen, dann sind daran eigentlich nur 98 Prozent richtig", sagt Vainikka. Zu einem kleinen Teil ernähren sich die Organismen nämlich auch von einer Ammoniaklösung, die aber ebenfalls aus der Luft gewonnen wird.

Fake-Fleisch-Markt als Chance

Dass das – angeblich neutral schmeckende – Proteinpulver (außer vielleicht in der Bodybuilding-Szene) keinen reißenden Absatz finden wird, ist den Finnen wohl klar. Das Pulver könnte deshalb Lebensmitteln wie Nudeln, Brot, Mehlspeisen oder Pflanzenmilch beigemengt werden.

Den weitaus größeren Markt sieht Vainikka aber in der boomenden Fleischersatz-Industrie. Firmen wie Impossible Foods oder Beyond Meat sind inzwischen Milliarden wert und verkaufen ihre Produkte inzwischen sogar bei McDonald's und Burger King. Für die Produktion des fleischlosen Fleisches brauchen diese Unternehmen große Mengen pflanzlichen Proteins, momentan kommt dieses oft aus Soja oder Erbsen. Solein könnte eine Alternative dazu sein, denn laut eigenen Angaben braucht Solar Foods nur zehn Liter Wasser, um ein Kilo des Luftproteins herzustellen. Bei Soja sind es 2.500 Liter, bei Rindfleisch sogar 15.500.

DER STANDARD hat den Beyond-Burger aus pflanzlichem Fleisch getestet.
DER STANDARD

Von Laborfleisch, das aus echte tierische Fasern aufweist, aber eben nicht von Tieren kommt, ist man noch weiter entfernt. Irgendwann könnte Solein auch hier helfen, glaubt Vainikka, denn auch Muskelfasern in der Petrischale brauchen zum Wachsen Nährstoffe, die in Solein enthalten sind.

Momentan kostet Solein noch etwa fünf Euro pro Kilogramm, die eingesetzte Energie wird etwa zu 20 Prozent in konsumierbare Kalorien umgewandelt. In beiden Punkten gibt es noch Luft nach oben, sagt Vainikka. Momentan versucht man gerade eine Zulassung in der EU zu bekommen, ab 2021 soll das Pulver auf den Markt kommen. (pp, 4.10.2019)