Boris Johnson stimmte am Donnerstag im Unterhaus versöhnlichere Töne an.

Foto: APA/AFP/HO

London/ Brüssel – Die neuen Brexit-Vorschläge von Premier Boris Johnson, die eine Alternative zum umstrittenen Backstop liefern sollen, stoßen weitgehend auf Ablehnung. Sie würden "nicht mal im Ansatz" dem entsprechen, was einen ausreichenden Kompromiss zum Backstop ausmachen würde und könnten auch nicht zum Ausgangspunkt einer Einigung werden, hieß es vom zuständigen Brexit-Ausschuss des EU-Parlaments.

Auch EU-Ratspräsident Donald Tusk zeigte sich nicht überzeugt von den von Johnson vorgelegten Plänen. Die EU würde hinter Irland stehen.

Der irische Premierminister Leo Varadkar hieß die neuen Vorschläge zwar willkommen, sie seien aber "in einer Reihe von Aspekten unzureichend" und kein vollwertiger Ersatz für den Backstop. "Wenn das der finale Vorschlag ist, wird es keinen Deal geben", sagte Irlands Außenminister Simon Coveney dazu.

Im britischen Unterhaus signalisierte hingegen die erzkonservative European Research Group (ERG) Zustimmung: Steve Baker sprach im Parlament von der Möglichkeit eines "tolerierbaren Deals". Seine ERG hatte den zwischen Johnsons Vorgängerin Theresa May und der EU ausverhandelten Deal mehrmals abgelehnt.

Kontrollen, aber keine Kontrollen

Am Mittwochnachmittag waren erste offizielle Details aus dem laut Johnson "letzten Angebot" zum Brexit-Deal an die EU öffentlich geworden. In einem Brief an Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker schrieb der Premier, er wolle die Notfalllösung für die irische Grenzfrage, den sogenannten Backstop, aus dem Austrittsabkommen streichen.

Der neue Vorschlag sieht vor, dass Nordirland gemeinsam mit dem Rest Großbritanniens die Zollunion verlässt. Grenzkontrollen im Warenhandel zwischen Nordirland und Irland – die dann unterschiedlichen Zollregelungen unterworfen wären – soll es aber weder an der Grenze, nahe der Grenze noch "an irgendeinem anderen Ort" geben, versicherte Johnson im Unterhaus. In seinen Vorschlägen ist die Rede von "dezentralisierten" Kontrollen über Onlineformulare und einer "sehr kleinen Anzahl tatsächlicher Kontrollen" auf Firmengeländen und "an anderen Punkten der Lieferkette".

Zustimmung Nordirlands

Johnsons Plan zufolge müsste Nordirland die Vereinbarungen zuerst genehmigen und alle vier Jahre darüber abstimmen, ob sie weiterhin gelten sollen. Auch das unterscheidet den Vorschlag von der Backstop-Lösung, die eine offene Grenze ohne zeitliches Limit vorgesehen hätte, solange es keine andere Einigung gibt.

Johnson hatte am Donnerstag im Parlament Stellung zu seinen Vorschlägen bezogen und dabei einen über weite Strecken freundlichen Ton gewählt – ganz im Gegensatz zu seiner konfrontativen Rhetorik der vergangenen Tage und Wochen. Er sprach von "konstruktiven Vorschlägen" und einem "Kompromiss", betonte aber erneut, dass Großbritannien am 31. Oktober die EU verlassen werde – mit oder ohne Abkommen.

Wie sich das mit dem No-No-Deal-Gesetz vereinbaren lässt, das ihn eigentlich verpflichtet, bei der EU um eine Verschiebung des Austritts anzusuchen, wenn bis 19. Oktober keine Zustimmung des Unterhauses zu einem Deal oder zu No Deal vorliegt, ließ er weiterhin offen. (maa, 3.10.2019)