Bild nicht mehr verfügbar.

Seit mehr als einem Monat sind brasilianische Soldaten im Rahmen der Operation Verde Brasil im Amazonas-Regenwald im Löscheinsatz.

Foto: AP / Leo Correa

Auch wenn Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro die Weltöffentlichkeit mit Beschwichtigungsversuchen beruhigen will – die Katastrophe im Amazonas-Regenwald geht weiter. Die verheerenden Waldbrände sind noch lange nicht gestoppt, noch immer wüten in der Region mehr als 20.000 Feuer.

Seit mehr als einem Monat kämpfen die brasilianischen Streitkräfte zusammen mit lokalen Helfern gegen die Feuersbrünste. Laut Verteidigungsministerium ist die Operation Verde Brasil (Grünes Brasilien) ein großer Erfolg. Weitere große Brände konnten verhindert werden, hieß es. Doch sind die Brände seit Anfang August erst um rund ein Viertel zurückgegangen, auch dank der jetzt einsetzenden Regenzeit.

Im August 1.702 Quadratkilometer abgeholzt

Gleichzeitig ist die illegale Abholzung des Regenwaldes dramatisch angewachsen. Laut dem brasilianischen Weltrauminstitut Inpe wurde allein im Monat August eine Fläche von 1.702 Quadratkilometern abgeholzt – ein Gebiet, etwa viermal so groß wie Wien. Im Vorjahresmonat waren es 526 Quadratkilometer.

Die wissenschaftlichen Daten der Satellitenbilder hindern Bolsonaro jedoch nicht an seinem Feldzug gegen die internationalen Medien, die ein "Lügengerüst" über den Amazonas aufgebaut hätten, und Nichtregierungsorganisationen. "Das Amazonas-Gebiet wird nicht zerstört oder von Feuern verwüstet", erklärte Brasiliens rechter Staatschef jüngst vor der UN-Vollversammlung. In dieser Jahreszeit begünstigten die Trockenheit und die Winde spontane und gelegte Feuer. Auch die Ureinwohner machte er erneut für die Brände mitverantwortlich, weil es "ihrer Kultur entspricht". Beweise dafür legte er nicht vor.

"An diesen Bränden ist überhaupt nichts Natürliches. Niemals wären sie in solch einer Dimension ausgebrochen", sagt dagegen der Geografieprofessor Wagner Costa Ribeiro von der Universität São Paulo. Der Zusammenhang zwischen der illegalen Abholzung und dem Ausbruch der Waldbrände sei schon lange erwiesen. Costa Ribeiro und auch andere Experten gehen davon aus, dass die meisten Feuer durch Brandrodung in abgeholzten Gebieten entstanden sind. Dadurch hätten sie sich auch so schnell ausgebreitet.

"Ganze Natur ausgelöscht"

Vor allem die Ureinwohner sind den Flammen schutzlos ausgeliefert. Der Indianermissionsrat Cimi bestätigt, dass rund 88 Prozent aller Feuer in den Schutzgebieten der Ureinwohner wüten und sie ihrer Lebensgrundlage berauben. Besonders schlimm traf es das Schutzgebiet Krahô Kanela am westlichen Rand des Regenwaldes: Es wurde zu 95 Prozent von den Feuern vernichtet. "Seit dem 26. August brennt unser Land. Wir haben mitangesehen, wie die ganze Natur ausgelöscht wurde", sagt der Anführer der Gemeinschaft, Wagner Krahô Kanela.

Für die Experten ist klar, dass Bolsonaro, der die Agrarlobby hofiert, mit seiner aggressiven Rhetorik gegen Umweltschutz und Klimawandel für die Brandkatastrophe mitverantwortlich ist. Die Umweltschutzbehörde Ibama hat er entmachtet und ihr die Mittel gekürzt, sodass Kontrollen kaum noch möglich sind. Dasselbe Schicksal hat die Indianerschutzbehörde Funai ereilt. Illegale Holzfäller und Goldsucher können vor strafrechtlicher Verfolgung sicher sein.

Bolsonaro und einige Gouverneure haben die Landwirte ja noch ermuntert, den Wald abzuholzen, sagt Rômulo Batista von Greenpeace Brasilien. Denn Bußgelder brauchten sie nicht zu befürchten. Dabei sei das Vorgehen immer ähnlich, sagte er. Zuerst kämen die illegalen Holzfäller, die sich die lukrativsten Tropenholzbäume aussuchen und diese fällen. Danach werde die ganze Fläche niedergebrannt, um sie wenig später als Weide für Rinder nutzen zu können. Dann sei der Regenwald unwiederbringlich verloren.

Handel mit Tropenholz floriert

Dieses Netzwerk besteht laut Greenpeace weiter, denn die Regierung unternimmt nichts dagegen. Im Gegenteil: Überall verteidigte Bolsonaro seine Pläne für die Ausbeutung des Regenwaldes. Neben der Viehzucht floriert der Handel mit Tropenholz – vor den Augen der brasilianischen Behörden, die oftmals in Korruptionsnetzwerke verstrickt sind.

"Aus optimistischer Sicht sage ich, 90 Prozent des Holzes aus dem Amazonas sind illegal", meint Alexandre Saraiva von der Bundespolizei. Untersuchungen der Ermittler zeigten, dass vom Hafen in Manaus illegales Holz in die USA und nach Europa verschifft werde. Die Frachtpapiere seien "im Tausch gegen Bestechungsgeld" gefälscht worden.

"Die Verkäufer sind Brasilianer, aber die Käufer sind Europäer, auch der Konsument ist europäisch oder amerikanisch", betont Staatsanwalt Leonardo Galiano. "Wenn das Holz illegal ist, sollte das auch die Länder betreffen, die es einführen", sagt er. "Nicht nur die Holzindustrie muss verantwortlich gemacht werden, sondern auch der Käufer." (Susann Kreutzmann aus São Paulo, 4.10.2019)