Kunstbuch im Zündholzschachtelformat: Der Taiwanese Hai-Hsin Huang hat in "Now is the Past" 400 Porträts zusammengestellt – ein Wunderwerk auf der ersten Vienna Art Book Fair.

Foto: nos:books

Etwas kleiner als eine Zündholzschachtel und doch ein Buch ist Now is the Past. Zuerst glaubt man, es handelt sich um Daumenkino, aber eine Geschichte wird beim händischen Durchscrollen nicht erzählt. Stattdessen handelt es sich um etwa 400 Porträts, die der taiwanesische Künstler Hai-Hsin Huang in seiner Minipublikation liebevoll ausgestaltet hat. Eine limitierte Auflage des kleinen Wunderwerks hat der Kunstbuchverlag nos:books aus Taipeh drucken lassen.

Bücher, die selbst Kunstwerke sind

Einige davon kann man jetzt auch in Wien haben. Möglich macht das die Kunsthistorikerin Marlene Obermayer. Sie veranstaltet die erste Vienna Art Book Fair im VZA7, wie die Expositur der Universität für angewandte Kunst in der Vorderen Zollamtsstraße genannt wird. Eine Messe beziehungsweise ein Festival – nennen wir es doch einfach Messtival – für Kunst- und Künstlerbücher, also Bücher, die selbst Kunstwerke sind.

Und woher weiß man, wann das der Fall ist? Obermayer arbeitet mit der saloppen Definition der Kunsttheoretikerin Lucy R. Lippard: "It's an artists' book, if an artist made it or if an artist says it is." So einfach ist das. Ein New Yorker Vorbild für Obermayer ist nicht nur Lippard, die dort geboren wurde, sondern auch die etablierte NY Art Book Fair, die jährlich an die 40.000 Besucher anzieht.

New Yorker Vorbild

So viele werden's bei der ersten Wiener Ausgabe wohl nicht werden; das vom New Yorker Vorbild übernommene Konzept des freien Eintritts und die Kooperation mit der Angewandten ist aber jedenfalls klug (dorthin zu gehen, wo bereits bibliophile Kunstmenschen sind, garantiert Laufkundschaft).

Kunstbücher sind nicht zuletzt wegen der leidigen ökonomischen Gründe für eine tendenziell weniger kaufkräftige und damit jüngere Zielgruppe interessant. Mit einem Buch fährt man billiger als mit Flachware – und es sieht auf dem Coffee-Table dann doch besser aus als der Ikea-Katalog, aus dem der Coffee-Table stammt.

Trotz ihres oft ästhetischen Anspruchs sind Künstlerbücher natürlich nicht in erster Linie Deko-Objekte. "Publishing" als künstlerische Praxis ist, wenn auch weniger verbreitet als andere Felder der Kunstproduktion, genauso wertvoll. Kunstbuchmessen sind oft die einzigen Orte, wo Bücher, die in so kleinen Auflagen produziert werden, überhaupt distribuiert werden können.

140 Aussteller aus 18 Ländern

Bereits für die erste Ausgabe ihres Messtivals konnte Obermayer 140 Aussteller aus 18 Ländern gewinnen. Manche von ihnen, wie der erwähnte Hai-Hsin Huang, brauchen dabei nicht einmal viel Platz. Das zwar sympathisch nerdige, aber immer auch "Nische" schreiende Auftreten so mancher (Fan-)Zine-Veranstaltung fehlt bei dieser Messe ganz. Professionell organisiert und unverstaubt kommt sie daher. Endlich raus aus der Nische.
(4.10.2019)