Drosophila melanogaster mag eine auf den ersten Blick unscheinbare Fruchtfliege sein. Tatsächlich handelt es sich bei dem kleinen Insekt um einen der am besten erforschten Lebewesen der Welt: Die Art aus der Familie der Taufliegen ist der wissenschaftliche Modellorganismus schlechthin, seit Anfang des 20. Jahrhunderts nutzen Wissenschafter die Fliegen für genetische, entwicklungsbiologische und andere Studien.

Gut untersucht: Drosophila melanogaster.
Foto: NASA/Ames Research Center/Dominic Hart

Auf eine Eigenschaft sind Forscher bei den Insekten bisher noch nicht gestoßen: Giftigkeit. Denn üblicherweise ist Drosophila melanogaster unter ihren Fressfeinden beliebt und wird gut vertragen. Das hat ein internationales Forscherteam in einer bemerkenswerten Studie nun geändert, zumindest in einer Population im Labor: Sie veränderten die Fliegen genetisch so, dass sie sonst für sie tödliche Pflanzen konsumieren können und dadurch selbst für Feinde giftig werden.

Mutation dank Gen-Schere

In ihrer im Fachblatt "Nature" veröffentlichen Studie manipulierten die Wissenschafter um Noah Whiteman von der University of California, Berkeley Fruchtfliegen mithilfe der Gen-Schere CRISPR/Cas9, einer vergleichsweise präzisen Methode der Geneditierung. Konkret lösten sie Mutationen in einem einzelnen Gen von Fliegenlarven aus, die große Wirkung zeigten: Die Insekten labten sich an Seidenpflanzen, deren Wirkstoffe für die meisten Tiere – inklusive Menschen – giftig sind. Die Gifte reicherten sich im Körper der Larven an und blieben auch während und nach der Metamorphose vorhanden. Das Resultat: Auch die ausgewachsenen Fliegen waren für Fressfeinde kaum genießbar.

Eine Raupe des Monarchfalters.
Foto: Noah Whiteman/UC Berkeley

Evolutionärer Falter-Trick

Der Hintergrund für das Experiment ist eine Schmetterlingsstrategie. Denn das Vorbild für die "giftigen" Fliegen sind die Monarchfalter, jene ikonischen Insekten, die jedes Jahr zwischen Nord- und Südamerika hin- und herwandern. Die Raupen der Schmetterlinge ernähren sich von Seidenpflanzen mit eben dem praktischen Effekt, dass sie dadurch vor Vögeln und anderen Feinde besser geschützt sind. Ist ihr Körper ausreichend mit Wirkstoffen angereichert, müssen sich Vögel nach dem Verzehr der Falter erbrechen.

Eine Genmutation erlaubt den Schmetterlingen den nützlichen Konsum von Seidenpflanzen.
Foto: Anurag Agrawal, Cornell University

Die Forscher untersuchten, wie die Falter diesen Abwehrmechanismus entwickelten. Genetische Analysen brachten sie auf die Spur, dass offenbar nur ein einzelnes Gen dafür verantwortlich sein dürfte. Um diese Annahme zu testen, kam ihnen – wie so oft in der Genetik – Drosophila melanogaster gerade recht. "Alles was wir tun mussten, war, drei Orte in diesem Gen zu verändern, und schon hatten wir diese Superfliegen", sagte Whiteman. "Das Erstaunlichste daran ist für mich aber, dass wir eine Evolutionshypothese auf eine solche Weise testen konnten. Ohne das CRISPR-Werkzeug wäre das schwierig gewesen." (dare, 4.10.2019)