Düpierung, Affront, Posse: Die Liste der Begriffe, mit denen die Absage von Eike Schmidt als Direktor des Kunsthistorischen Museums (KHM) bedacht wurde, ist lang. Auf den Tag genau einen Monat vor Vertragsbeginn wurde bekannt, dass der deutsche Museumsleiter nun doch als Direktor der Uffizien in Florenz bleiben wird. Wirklich überraschend kam das nicht: Immer wieder deutete Schmidt in Interviews mit italienischen Medien an, eine Vertragsverlängerung an den Uffizien anzustreben. Gegenüber österreichischen Medien stritt er hernach ab, das auch so gemeint zu haben. Das Muster war immer dasselbe: In Italien sandte Schmidt eindeutige Signale aus, in Österreich sagte er, er sei falsch zitiert worden.

Das Kunsthistorische Museum in Wien wir momentan interimistisch von Sabine Haag geführt.
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Das ist eine Vorgangsweise, die man aus der Politik kennt. In der Kulturszene (zumindest in der hiesigen) aber ist solch doppeltes Spiel neu. Umso größer sind die Kollateralschäden, die Schmidts monatelanges Tarnen und Tricksen abseits der angerichteten finanziellen Schäden ausgelöst hat. Er beschädigte nicht nur sich selbst, sondern düpierte auch die hiesige Kulturpolitik, die in den vergangenen Tagen ein jämmerliches Bild abgab. Interims-Kulturminister Alexander Schallenberg musste als Bote der schlechten Nachricht herhalten – und das, ohne überhaupt selbst von Schmidt informiert worden zu sein. Und einmal mehr stand berechtigterweise die Entscheidung des ehemaligen Kulturministers Thomas Drozda (SPÖ) in der Kritik, Schmidt überhaupt ohne Not berufen zu haben.

Unverfrorenheit

Das Zwielicht, in das in den vergangenen Tagen und Monaten die Person Eike Schmidts und dessen Integrität geraten ist, trifft in erster Linie diesen selbst. Ob seine Reputation außerhalb Italiens jemals wiederhergestellt wird, wird man sehen. Viel besorgniserregender aber ist, dass das Vorgehen des deutschen Museumsleiters auch die heimischen Kunstinstitutionen wieder ins Gerede bringt. Nach veritablen Museumsskandalen (Noever, Matt, Husslein) musste das Vertrauen in sie erst mühsam wiederhergestellt werden.

Eine Museumsleiterin wie Sabine Haag hat an Letzterem keinen kleinen Anteil. Nach ihrer überraschenden und nie wirklich nachvollziehbaren Nichtvertragsverlängerung durch Drozda erklärte sie sich sogar bereit, zu einem wesentlich geringeren Gehalt die Interimsleitung des Museums zu übernehmen. Auch jetzt steht die in Fach- wie Publikumskreisen gleichermaßen angesehene Museumsdirektorin auf Bitte Schallenbergs wieder Gewehr bei Fuß und wird das KHM weiterhin interimistisch leiten.

Der Museumsbund als Vertreter der österreichischen Museumslandschaft fordert bereits, Haag ohne neuerliche Ausschreibung definitiv zu bestellen. Darüber sollte die Kulturpolitik in der Tat nachdenken: Nicht nur könnte man die Unverfrorenheit, mit der man mit Haag umgesprungen ist, symbolisch wiedergutmachen, das Museum selbst würde auch schnell wieder in ruhigere Gewässer geführt. Und Haags Erfolgskurs könnte fortgesetzt werden. (Stephan Hilpold, 4.10.2019)