Für einen afghanischen Tischlerlehrling konnte kürzlich ein Arbeitsrecht durchgesetzt werden.

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Im Parlament hat das heiße Eisen Lehrlingsausbildung von Asylwerbern für heftige Debatten gesorgt. Auslöser war ein Schwenk der ÖVP, die plötzlich verhindern will, dass Lehrlinge wegen eines negativen Asylbescheids abgeschoben werden. Der von den Türkisen eingebrachte Entschließungsantrag fand breite Zustimmung – nur die FPÖ stimmte dagegen. Doch die Regierung tut sich schwer mit der Aufforderung, eine pragmatische Lösung für die 900 Betroffenen zu finden. Innenminister Wolfgang Peschorn äußert Bedenken, weil die Sanierung des Themas wohl einer Gesetzesänderung bedürfe.

Wolfgang Peschorn will eine verfassungskonforme Lösung bei Lehre und Asyl.
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STANDARD: Der Nationalrat hat die Regierung aufgefordert, eine pragmatische Lösung für asylsuchende Lehrlinge zu finden, denen die Abschiebung droht. Haben Sie schon eine?

Peschorn: Nachdem der Entschließungsantrag im Innenministerium eingelangt war, habe ich die Fraktionsvorsitzenden im Ausschuss zu Gesprächen eingeladen, um die Absichten des Nationalrats zu ergründen. Aufgrund der Termindichte haben die Abgeordneten aber keine Zeit für ein Gespräch gefunden.

STANDARD: Wird es einen neuen Anlauf geben?

Peschorn: Das Innenministerium steht jederzeit für Gespräche zur Verfügung. Die Konstituierung des Nationalrats wird am 23. Oktober erfolgen. Wenn man will, können Änderungen sehr rasch erfolgen. Wichtig ist, dass die gesetzliche Maßnahme verfassungskonform ist.

STANDARD: Inhaltlich geht es darum, dass die rund 900 betroffenen Asylwerber ihre Lehre abschließen können, auch wenn der Bescheid negativ ausfällt.

Peschorn: Es war ja die Rede von einer pragmatischen Lösung. Das muss eine sein, die auf rechtlich sicherem Boden stattfindet. Dafür bedarf es voraussichtlich einer gesetzlichen Maßnahme. Da ist es notwendig, herauszufinden, was sich die Abgeordneten konkret unter einer pragmatischen Lösung vorstellen. Wenn wir eine Änderung vornehmen, sollte sie in das Gesamtsystem der österreichischen Rechtsordnung passen. Und wenn wir von Asyl und Lehre sprechen, ist das mehr eine Frage der Arbeitsmigration als des Asyls. Dann muss man auch so ehrlich sein, das Thema so zu behandeln. Das heißt konkret: Wir reden eigentlich über eine Änderung des Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetzes. Man sollte sehr vorsichtig sein, wenn man einen Spurwechsel zwischen Arbeitsmigration und Asylwesen im Inland macht.

Peschorn wurde von Alexander Van der Bellen angelobt.
Foto: APA/Herbert Neubauer

STANDARD: Es gibt auch die Ansicht, wonach Sie die Abschiebung per Erlass stoppen könnten.

Peschorn: Das geht nur, wenn eine gesetzliche Grundlage für einen Erlass besteht, die gibt es aus meiner Sicht aber nicht.

STANDARD: Das Parlament hätte das Gesetz gleich ändern können, anstatt einen Entschließungsantrag zu beschließen. Was schließen Sie daraus?

Peschorn: Natürlich. Das zu interpretieren bleibt jedem selbst überlassen.

STANDARD: Was ist denn Ihre inhaltliche Position? Sollen Lehrlinge bis zum Abschluss ihrer Ausbildung in Österreich bleiben dürfen?

Peschorn: Wenn man eine gesetzliche Änderung vornehmen will, sollte sie im Niederlassungs- und Aufenthaltsgesetz erfolgen. Alles andere ist eine Frage des politischen Willens im Parlament. Ich trete dafür ein, dass eine allfällige Änderung sachlich argumentierbar ist.

STANDARD: Es gibt aber auch eine Judikatur, wonach Asylwerber einen Job erhalten dürfen, wenn der Bedarf entsprechend groß ist. Gibt es da einen Zusammenhang?

Peschorn: Man muss zwischen Zugang zum Arbeitsmarkt und Aufenthaltstitel unterscheiden. Der negative Ausgang eines Asylverfahrens beendet das Lehrverhältnis. Es geht da auch nicht um die Frage, ob das Lehrverhältnis bei negativem Bescheid aufrecht bleibt, sondern darum, ob jemand überhaupt eine Lehre beginnen kann. Außerdem ist die von Ihnen angesprochene Entscheidung nicht endgültig, da das zuständige Ministerium (das Sozialministerium, Anm.) Rechtsmittel eingelegt hat.

STANDARD: Wie sehen Sie das Argument der Wirtschaft, dass Migration wegen des Fachkräftemangels notwendig sei?

Peschorn: Daran zeigt sich die Unehrlichkeit in der Diskussion. Wirtschaftliche Interessen mit dem Asylwesen zu verbinden ist nicht sehr sachlich. Dann muss man vielmehr über Migration und Arbeitskräfte diskutieren. Und es stellt sich die Frage, warum viele Lehrstellen frei bleiben, obwohl es grundsätzlich genug Personen gibt, die für den Ausbildungsplatz infrage kommen. (Andreas Schnauder, 4.10.2019)