Vor großteils leeren Rängen läuft die Leichtathletik-WM in Doha ab. Damit – wie auch mit der enormen Hitze – war zu rechnen.

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Sebastian Coe (li.), Präsident des Weltverbands, und Dahlan Al Hamad, Vizepräsident des Weltverbands und Organisationschef, bei einem Termin am Rande der WM.

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Man baut in ein offenes Stadion eine Klimaanlage ein und gibt damit den Startschuss für Leichtathletikweltmeisterschaften in der Wüste. So weit zur Theorie. In der Praxis gerät die WM in Doha trotz hochklassiger Leistungen zum mittelgroßen Desaster: Die Langstreckler laufen, und die Geher gehen in der Mitternachtshitze ums Durchkommen, die Zuschauerplätze bleiben leer. Katar soll trotzdem richtungsweisend sein.

"Es ist prinzipiell zu begrüßen, wenn neue Märkte für Sportarten erschlossen werden. Das macht für die internationalen Sportverbände Sinn, das macht auch für das IOC Sinn. Aber natürlich sollte es nicht um jeden Preis erfolgen", rät Karl Stoss, Präsident des Österreichischen Olympischen Comités (ÖOC) und Mitglied im Internationalen Olympischen Komitee (IOC), zur Vorsicht bei Vergaben von Großevents. "Ob Marathonläufe um Mitternacht bei 31 Grad und 70 Prozent Luftfeuchtigkeit praktisch unter Ausschluss der Öffentlichkeit WM-würdig sind, ist fraglich. Ob man bei diesen Temperaturen den Athleten einen Marathon zumuten darf, ist eine medizinische Frage."

Grenzwertiges Laufen

Expertinnen und Experten sonder Zahl haben diese Frage natürlich längst mit Nein beantwortet. Sebastian Coe, Präsident des Weltverbands, wies zwar auf die vorbildliche medizinische Versorgung in Doha hin. Nichtsdestoweniger mahnte Äthiopiens früherer Wunderläufer Haile Gebrselassie: "Menschen, die bei solchen Wetterbedingungen laufen, können sterben." Beim Frauen-Marathon wurden nachts 32,7 Grad und eine Luftfeuchtigkeit von 73,3 Prozent gemessen. Nur 40 der 68 gestarteten Teilnehmerinnen kamen ins Ziel. Der Männer-Marathon – mit dem Österreicher Lemawork Ketema – findet erst in der Nacht auf Sonntag statt.

Marginales Zuschauerinteresse

Das geringe Zuschauerinteresse in Katar kommt genauso wenig überraschend wie die hohen Temperaturen. ÖOC-Präsident Stoss führt es auf fehlende sportliche Tradition und die späten Beginnzeiten zurück, die der arbeitenden Bevölkerung nicht entgegenkommen. "Katar investiert viel in den Sport, in Infrastrukturmaßnahmen. Nachwuchsförderung wird großgeschrieben. Aber das führt konkret nicht dazu, dass die Zuschauerinnen und Zuschauer ins Stadion strömen."

Die Organisatoren machen für die Zuseherflaute auch die zeitlichen Vorgaben der TV-Stationen verantwortlich. Coe immerhin ist nach wie vor vom guten Gelingen der WM überzeugt. Er verbringe viel Zeit auf dem Aufwärmplatz, spreche mit Athleten, Trainern und Ärzten. Diese seien mit den Gegebenheiten zufrieden.

Kein Klimaschutz

Sonja Spendelhofer, Präsidentin des österreichischen Verbands (ÖLV), hatte vor der WM kritisiert: "Wir reden von Klimaschutz, wir wissen, dass es eng wird. Und dann gehen wir in ein offenes Stadion, das um fast zwanzig Grad heruntergekühlt wird. Aus Klimasicht ist das ein Wahnsinn."

Mit den Olympischen Sommerspielen 2020 in Tokio wartet das nächste Großereignis, bei dem Hitze und Luftfeuchtigkeit die größten Herausforderungen werden. Nach Tokio kommt Paris (2024), dann Los Angeles (2028) – und dann? Katar und Indonesien liebäugeln mit Bewerbungen. Auch die Leichtathletik will weiterhin Neuland betreten. Coe kann sich Titelkämpfe in Äthiopien, Kenia oder Jamaika vorstellen. Bei Vergaben haben die Aktiven kein Mitspracherecht. Nicht nur die deutsche Kugelstoßerin Christina Schwanitz ist überzeugt, dass entschieden wird, wie entschieden wird, "weil die Reibung zwischen Daumen und Zeigefinger gestimmt hat". (APA, fri, 3.10.2019)