Wien – Was die Spatzen längst von den Dächern pfeifen, wird nun durch die Zahlen der Wirtschaftsforscher zur Gewissheit: Die Konjunktur in Österreich verlangsamt sich zusehends, von einer Rezession ist das Land aber weit entfernt.
Den Tiefpunkt des Konjunkturzyklus sehen die Ökonomen sowohl des Wirtschaftsforschungsinstituts (Wifo) als auch des Instituts für Höhere Studien (IHS), die am Freitag ihre Herbstprognose mit Ausblick auf 2020 präsentiert haben, Ende des heurigen Jahres erreicht. Ein Konjunkturpaket, um die Wirtschaft anzukurbeln, halten beide in der derzeitigen Situation nicht für nötig, sehr wohl aber Investitionen in ausgewählte Felder wie Bildung, Forschung und Entwicklung, aber auch in die Digitalisierung.
"Wir leben vom Restalkohol der Konjunkturparty, die wir 2017 und 2018 hatten", sagte IHS-Chef Martin Kocher. Zugleich wies er darauf hin, dass sich der Budgetspielraum durch Beschlüsse wenige Tage vor der Wahl auf 1,3 bis 1,4 Milliarden Euro verringert habe. Große Sprünge könnten damit nicht gemacht werden.
Wifo-Chef Christoph Badelt ist zwar etwas optimistischer, was den verbliebenen Spielraum im Budget betrifft; aber auch die 1,6 Milliarden, auf die das Wifo in seinen Berechnungen kommt, reichten bei weitem nicht aus. Allein für die Senkung der Steuertarife, die noch von der türkis-blauen Koalition für 2021 in Aussicht gestellt wurde, seien zwei bis drei Milliarden Euro nötig. Badelt: "Dann ist aber noch kein einziger Euro für Klimaschutz, für Bildung, für viele andere notwendige Sachen investiert." Die neue Regierung, wie immer sie zusammengesetzt sein möge, müsse ausgabenseitig sparen, um mehr Mittel lockerzumachen.
Während Österreichs wichtigster Handelspartner, Deutschland, mitten in einer Rezession steckt und die britische Wirtschaft ebenfalls schrumpft, dürfte die heimische Konjunktur heuer zwar schwächer als zuletzt wachsen, aber immerhin noch um 1,7 Prozent, schätzt das Wifo (siehe Grafik). 2020 sollte unterm Strich ein Plus von 1,4 Prozent möglich sein.
Kein Konjunkturhoch in Sicht
Das IHS, das traditionell etwas vorsichtiger ist, geht von einem Plus beim Bruttoinlandsprodukt (BIP) von 1,5 Prozent heuer und 1,3 Prozent nächstes Jahr aus. Unterstellt ist in beiden Fällen, dass der Ölpreis keine dramatische Entwicklung nach oben nimmt, sondern in etwa auf dem derzeitigen Niveau verharrt. Ein Konjunkturhoch wie 2017 und 2018 sehen beide Institute so schnell nicht mehr.
Ein vertragsloser Austritt Großbritanniens aus der EU (Hard Brexit) stelle zweifellos ein Risiko dar, würde im Falle Österreichs das Wirtschaftswachstum aber maximal um 0,2 Prozentpunkte verringern, meinen die Ökonomen.
Trendwende am Jobmarkt
Ein weiteres Prognoserisiko stecke im Handelskonflikt. Wenn US-Präsident Donald Trump einlenke und es zu einer Entspannung an der Handelsfront komme, hätte dies positive Auswirkungen auf die Weltkonjunktur und käme insbesondere einem so exportorientierten Land wie Österreich entsprechend zugute. Im gegenteiligen Fall, wenn sich der Handelskonflikt zwischen den Wirtschaftsblöcken verschärft, könnte es hingegen einen weiteren Dämpfer für das Wachstum geben.
Am Arbeitsmarkt gehen beide Institute von einer Abschwächung aus, auch wenn der Beschäftigungsaufbau weiter voranschreiten sollte. Die zeige der Umstand, dass die Arbeitslosigkeit von Personen ab 55 Jahren wieder steige. Nach 7,4 Prozent heuer sehen beide Institute die Arbeitslosenquote 2020 bei 7,5 Prozent. (Günther Strobl, 4.10.2019)