Die Grünen sind auf Parteilinie. Und so oft auch die basisdemokratische Mitbestimmung beschworen wird – dieser Tage sind die Grünen vor allem Werner Kogler. Der 57-jährige Steirer genießt vollstes Vertrauen bei Funktionären und Basis. Bei seinem Einzug in den Sitzungssaal der Wiener Urania gibt es minutenlang stehende Ovationen, während er eine Runde dreht, um alle Mitglieder des erweiterten Bundesvorstands persönlich zu begrüßen.

Kogler sagt, dass man sich etwaige Koalitionsverhandlungen wirklich gut überlegen müsse, und das könne man erst nach einem klärenden Gespräch mit ÖVP-Chef Sebastian Kurz und etwaigen Sondierungen tun. Und weil Kogler das sagt, sagen das alle anderen auch. Keiner lässt sich ein "eher ja" oder "eher nein" zu einer Koalition mit den Türkisen entlocken.

Werner Kogler – auch nach der Wahl wieder mit grüner Wahlkampfbrille unterwegs.
Foto: APA/ROLAND SCHLAGER

Die Delegationsleiterin von Österreichs Grünen im EU-Parlament, Monika Vana, stellt zumindest klar, dass eine grüne Regierungsbeteiligung eine dezidiert proeuropäische Haltung haben müsse. "Und das müsste dann auch bei Themen wie der Indexierung der Familienbeihilfe klar ersichtlich sein", so Vana. Generell habe man das Nationalratswahlergebnis in Brüssel recht positiv aufgenommen. Auch wenn die ÖVP-Zugewinne nicht überall verstanden wurden und so mancher noch deutlichere Verluste der FPÖ herbeigesehnt habe. Allgemein verspüre sie auf EU-Ebene sehr viel Zustimmung für Türkis-Grün. Treiben lassen will man sich davon dennoch nicht.

Druck aus dem Parlament

Auch wenn sich zahlreiche Journalistenfragen um Koalitionswahrscheinlichkeiten drehen – für Kogler derzeit "nicht viel wahrscheinlicher" als vor der Wahl –, hat der Parteichef nur ein Datum im Kopf: den 23. Oktober. Da konstituiert sich das Parlament, und Kogler will von Tag eins an Druck machen, um seine drei Herzensangelegenheiten – Klimaschutz, Transparenz, soziale Gerechtigkeit – im Nationalrat zu pushen. "Denn dafür braucht es keine neue Regierung", und er habe auch keine Sorge, dass das Übergangskabinett von Brigitte Bierlein beispielsweise kein Personal bereitstellt, um Transparenzinitiativen in eine legistisch saubere Version zu bringen. "Wir werden gleich loslegen", kündigt er an. Natürlich verspricht man sich davon indirekt auch, die Bedeutung bestimmter Themen für Koalitionsverhandlungen zu verdeutlichen.

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"Man muss das Eisen schmieden, solange es heiß ist", sagt Kogler in Bezug auf ein schärferes Parteientransparenzgesetz. Im Wahlkampf hätten alle Parteien davon gesprochen, transparenter sein zu wollen, dann wolle man das jetzt auch gemeinsam mit den Neos möglichst schnell auf den Weg bringen, sagt Kogler zum STANDARD. "Da kommt uns keiner aus", warnt der Grünen-Chef die politischen Mitbewerber. Bei den großen Fragen der Zeit gelte es die Vorzeichen in die richtige Richtung zu drehen.

"Zu langsam, zu wenig"

Das gilt vor allem für den Klimaschutz. "Zu langsam und zu wenig", den "Einstieg in den Umstieg schaffen", die "Transformation realpolitisch durchsetzen", "global denken und lokal handeln" – die richtigen Motivationssätze sind bereits eingeübt. Auch die Spitzenkandidaten jener Bundesländer, in denen demnächst Landtagswahlen anstehen, kennen diese selbstverständlich und wollen die grüne Welle reiten. Der Medientermin soll ihnen auch dahingehend eine taktisch klug gewählte Bühne bieten. Mit Vorarlberg und Wien sitzt man schon in zwei Landesregierungen. Auch im Burgenland und in der Steiermark will man mitgestalten – da ist man deutlich offener als auf Bundesebene.

Johannes Rauch, Landesrat für Umweltschutz und Nahverkehr in Vorarlberg, gibt sich dennoch demütig. Es sei ein Glücksfall, dass die Grünen nach dem desaströsen Ausscheiden aus dem Nationalrat 2017 so schnell die Chance auf ein Comeback bekamen. Jetzt aber "entsteht da etwas Neues", hat er das Gefühl. Den Klimaschutz, den "kaufen uns die Menschen ab", und dieses Vertrauen müssten die Grünen ihnen zurückgeben. So wie die Erde nur geliehen sei, seien es auch die vielen Wählerstimmen, stieß die steirische Spitzenkandidatin Sandra Krautwaschl in eine ähnliche Richtung.

Zuerst standen die Funktionäre, dann bei seiner Rede Kogler selbst.
Foto: APA/ROLAND SCHLAGER

Gegen Ende des medienöffentlichen Teils der Veranstaltung ließ sich Kogler doch noch etwas zu den bevorstehenden Sondierungen entlocken. Man werde diese im "besten Sinne des Wortes bestreiten", kündigte er harte Verhandlungen an. "So lange wie nötig und so kurz wie möglich" sollen die Gespräche dauern. Wenngleich er gewisse Entscheidungskompetenzen zugesprochen bekommen habe, werde er nur nach einem Beschluss des erweiterten Bundesvorstands in Koalitionsgespräche treten. "Und heute wird es definitiv keinen solchen Beschluss geben." (Fabian Sommavilla, 4.10.2019)