Große Freude, bescheidene Zugewinne: Im Koalitionspoker spielt die Neos-Chefin Beate Meinl-Reisinger eine Nebenrolle.

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Wer an den vergangenen Wahlsonntag zurückdenkt, sieht ein ganzes Farbspektrum an Emotionen: Türkis im Siegesrausch mit "Kanzler Kurz"-Rufen, Grün im Freudentaumel mit ein paar Tränen der Erleichterung, rote Enttäuschung und blauen Absturz. Und Pink?

Auch die Neos hatten allen Grund zum Jubeln. Immerhin haben sie fast drei Prozentpunkte mehr Stimmen bekommen als 2017. Ihre Mandate im Nationalrat konnten sie von zehn auf 15 ausbauen. Doch trotz des respektablen Ergebnisses stehen sie im Schatten der Wahlsieger ÖVP und Grüne.

Bitteres Ergebnis

Das ist bitter. Es ist das dritte Antreten der Pinken bei einer Nationalratswahl. War es 2017 noch eine Zitterpartie, zweifelte 2019 kaum jemand an ihrem Wiedereinzug. Dazu kam ein hochprofessioneller und fehlerfreier Wahlkampf, Spitzenkandidatin Beate Meinl-Reisinger meisterte ihr erstes bundesweites Antreten souverän.

Knapp vor der Wahl betonten die Pinken ihre Bereitschaft mitzuregieren. Sie stellten sogar Koalitionsbedingungen. Doch ÖVP und Grüne brauchen sie nun gar nicht für eine Regierungsbildung, sie verfügen selbst über die notwendige Mandatsmehrheit im Parlament.

Neos-Generalsekretär Nikola Donig sieht diese "progressive Option weiter intakt". Er ist davon überzeugt, dass eine Partei rechts und eine links der Mitte schon ein Zahnrad in der Mitte brauchen könnte, "damit das Werk in Gang kommt". Aber er ist sich auch dessen bewusst, dass sie derzeit nur abwarten können. Sebastian Kurz müsste die Neos zu den Dreiergesprächen einladen.

Liberale Ernüchterung

Zusätzlicher Makel: Die Stimmen der Pinken würden auch nicht für eine Zweidrittelmehrheit im Parlament ausreichen.

In Umfragen lagen die Neos zuletzt zwischen sieben und neun Prozent. Mit dem Ergebnis von 8,1 Prozent haben sie ihre Mission erfüllt. Dennoch laufen in der Parteizentrale die Analysen, wie man sich künftig besser aufstellen kann. Vizeparteichef Josef Schellhorn ärgert sich darüber, dass die drei Großparteien mit ihren "Schmieranski-Methoden" durchgekommen seien, wie er ihre Weigerung nennt, die Parteifinanzen offenzulegen. Dabei hatte Ibiza-Gate eine Steilvorlage dafür geliefert, Transparenz und illegale Parteienfinanzierung wieder zum politischen Thema zu machen. Das wurde es dann auch, aber eben nicht wahlentscheidend. "Für viele war Ibiza einfach nicht mehr präsent", erläutert die Politikwissenschafterin Katrin Praprotnik von der Donau-Universität Krems.

Klima killte Ibiza

Hauptthema war der Umgang mit der Klimakrise, ein Aspekt, von dem eben die Grünen am meisten profitiert haben. Und das, obwohl Meinl-Reisinger selbst ständig ihr Konzept einer "aufkommensneutralen CO2-Steuer" beworben hatte. Wähler, für die Umweltschutz entscheidend war, votierten dennoch für die Grünen.

"Eine Kleinpartei kann die politische Tagesordnung nicht umkrempeln", sagt der Politikwissenschafter Peter Filzmaier. Wirtschaft und Bildung seien die klassischen Neos-Themen. Meinl-Reisinger versuchte auch, ihre Bildungskonzepte medienwirksam zu inszenieren. "Kein Kind zurücklassen" plakatierten die Neos. Dass sie damit ausgerechnet beim jüngst verstorbenen republikanischen Ex-US-Präsidenten George W. Bush senior Anleihe nahmen, wissen die wenigsten. Hauptsache, es funktionierte. Für viele Pink-Wähler war das ein Wahlmotiv.

Die nächsten Landtagswahlen stehen jedenfalls bevor. Während der Einzug in den Vorarlberger Landtag als gesichert gilt, stellt die Steiermark eine Herausforderung dar. Vor vier Jahren scheiterten die Neos hier. Jetzt ist ein Grundmandat im urbanen Raum das Ziel. Denn Präsenz in den Ländern ist auch für bundesweite Wahlkämpfe entscheidend. "Es braucht eine Identifikationsfigur", erklärt Filzmaier. Parteimanager Donig sieht es pragmatischer: "Wir brauchen in den Gemeinden Menschen, die mit uns Strukturen aufbauen und für uns laufen." Das sei wichtig für die Mobilisierung. (Marie-Theres Egyed, 5.10.2019)