Jesse Pinkmann (Aaron Paul) hat "Breaking Bad" überlebt. Nun muss der Meth-Kompagnon von Walter White im spielfilmlangen Finale "El Camino" nach dem Serienfinale ran.

Ben Rothstein / Netflix

Wenn eine lange Fernsehserie zu Ende geht, dann gibt es erst einmal Inventur: Welche Figuren haben bis zum Ende durchgehalten? Wer lebt noch, wen hat es erwischt, wer steigt gut aus? Und was ist von der ursprünglichen Idee geblieben?

Bei Breaking Bad konnte der Sender AMC am 29. September 2013 einen Rekord vermelden: Mehr als zehn Millionen Zuschauer wollten wissen, wie es mit dem schon lange sterbenskranken Chemielehrer und späteren Drogenbaron Walter White ausging. Und mit all den anderen Leuten, die er mit in das Reich des Bösen genommen hatte. Allein über die letzte Halbstaffel könnte man Abhandlungen schreiben, so virtuos hatte Creator und Showrunner Vince Gilligan die vielen ausgelegten Fäden aus den sechs Staffeln noch einmal verflochten.

Darunter auch den Faden mit der zentralen "beruflichen" Beziehung: Walter White und der Junkie Jesse Pinkman waren im Duo fast so etwas wie ein kleines Kartell, das es im Drogengeschäft sogar mit den Mexikanern aufnahm. Breaking Bad endete damit, dass Walter White reinen Tisch machte: Er organisierte für sich einen kunstvollen Abgang, bei dem er sorgfältig darauf achtete, aus dem eigenen Tod ein Höchstmaß an positiven Nebeneffekten für seine Familie herauszuholen. Und für Jesse, der zu diesem Zeitpunkt längst sein Feind geworden war. Dank Walter White entkam Pinkman am Ende den Verbrechern, die ihn als Meth-Koch gefangen hielten.

Guckst du: Matt Jones, Charles Baker in "El Camino: A Breaking Bad Movie"
Ben Rothstein / Netflix

Ein Nachschlag zum Trost

Man wird vielleicht die eine oder andere Szene aus diesem vielfach gelobten Finale noch einmal in Rückblende sehen, wenn am 11. Oktober der Film El Camino: A Breaking Bad Movie auf Netflix startet. Vince Gilligan schließt an die Serie an, die bis heute zu den Höhepunkten des Genres der "epischen" Fernseherzählungen gerechnet wird. Der Film wird weltweit bis zur letzten Sekunde vor der Veröffentlichung wie ein Staatsgeheimnis behandelt, es gab keine Screenings für die Presse, nur ein karger Satz wurde bekanntgegeben: El Camino erzählt, wie es mit Jesse Pinkman weitergeht.

Damit tritt die Bewirtschaftung der ursprünglichen Geschichte in ein neues Stadium. Bei Breaking Bad ist Vince Gilligan so stark mit dem Stoff assoziiert, dass er einfach damit weitermachte. Anders als Branchenstars wie Ryan Murphy oder Chuck Lorre, die an vielen Projekten arbeiten, blieb Gilligan seinem Kosmos verbunden. Die Nachfolgeserie Better Call Saul erzählte vom Anwalt Saul Goodman, und damit von einer besonders originellen und beliebten Nebenfigur aus der Hauptserie. Genau genommen sogar von zwei Nebenfiguren, denn mindestens so wichtig wurde der brummige Mike Ehrmantraut, zuerst eigentlich nur eine Art Handlanger, bald aber einer der großen Sympathieträger.

Damit tritt die Bewirtschaftung der ursprünglichen Geschichte in ein neues Stadium: El Camino erzählt, wie es mit Jesse Pinkman (Aaron Paul) weitergeht.
Ben Rothstein / Netflix

In ähnlicher Form hätte es nun auch mit Jesse Pinkman durchaus auch in einer dritte Breaking Bad-Serie weitergehen können, aber die letzte Staffel von Better Call Saul war wohl nicht erfolgreich genug. So bleibt es nun bei einem Nachschlag, den man in einem Stück genießen kann. Ein Nachschlag, der auch etwas von einem Trostpreis hat.

Zeit für ein gutes Ende

So war das vor wenigen Monaten schon bei Deadwood:Deadwood – The Movie sollte zumindest notdürftig die Lücke schließen, die das abrupte Ende der Westernserie von David Milch nach drei Staffeln hinterließ. Bei El Camino indes handelt es sich wohl eher um ein nachgeliefertes Finale nach einem würdigen Finale – es hat ohnehin Tradition, dass Serien immer wieder mit einer überlangen Folge aufhören, da ist man schnell bei Spielfilmlänge.

Man wird El Camino aber wohl auch deswegen mit großem Interesse schauen, weil es doch deutliche Anzeichen dafür gibt, dass es mit den langen Serienerzählungen gerade zu Ende geht. Jüngere Hits wie Stranger Things deuten eher darauf hin, dass sich ein anderes Prinzip durchsetzt, mit dem börsennotierte und auf Jahresbilanzen fixierte Konzerne wie Netflix besser arbeiten können: Serien, die zwar in Form von Jahresringen einen gewissen erzählerischen Fortschritt aufweisen, aber im Grunde eher von Wiederholung als von Expansion leben. Im Vergleich dazu war Breaking Bad ein Paradebeispiel für die maximale dramaturgische Überstreckung einer erzählerischen Idee.

So hat es Vince Gilligans Schreibpartner Peter Gould einmal auf den Punkt gebracht: Eine Serie ist dann erfolgreich, wenn sie genügend "screen time" bekommt, um die Geschichte gut zu beenden. "But not one minute more." Man darf also gespannt sein, ob El Camino vielleicht schon zu den überzähligen Minuten gehört oder Breaking Bad eine neue Dimension erschließt. (Bert Rebhandl, 5.10.2019)