"Der Mensch ist das gefährlichste Tier von allen" heißt es sinngemäß im US-Abenteuer- und Horrorfilm "The Most Dangerous Game". Auch in der Politik geht es mitunter nicht wenig zimperlich zu. Wie beschrieb schon Konrad Adenauer, der erste Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland, die Steigerungsstufen "Freund - Feind - Parteifreund" im politischen Alltag treffend. Nun hat sich das "Most Dangerous Game" auch in die österreichische Sozialdemokratie verlagert und die Formel Adenauers kann gar nicht besser auf die aktuelle soziodynamische Stimmungslage in der SPÖ zutreffen.

Alle gegen eine und eine gegen alle, sowie jeder gegen jeden dürfte aktuell die Maxime lauten. Sohn und Gattin von Ex-Kanzler Kern liefern sich mit anderen aus parteinahem Umfeld Twitter-Duelle. Fotos vom zurückgetretenen Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda im Sportwagen von bester deutscher Ingenieurskunst der noblen Marke Porsche kursieren im Boulevard und dessen blitzartig eingesetzter Nachfolger Christian Deutsch wird als "Super-Apparatschik" von Gegnern seiner Bestellung geadelt. Soviel zur Harmonie in einer Bewegung in der das Wort "Freundschaft" eine besondere Bedeutung haben sollte. Die konnotative Ladung dürfte sich jedoch etwas geändert haben.

Rendi-Wagner im Zentrum innerparteilicher Grabenkämpfe.
Foto:APA/HERBERT NEUBAUER

Vranitzky-Boys und Faymann-Friends

Jeder weiß momentan anscheinend, was für seine Sozialdemokratie das Beste wäre. Neugründung, neues Personal, frischer Wind, Parteijugend her und alte Bonzen weg und vieles mehr. Wenn die finanziellen Ressourcen einer Partei sowie die möglichen Posten, die diese verteilen kann, weniger werden, dann sind zwangsläufig Konflikte vorprogrammiert. Dass derartige Entwicklungen nur das Resultat falscher Entscheidungen von Jahren und Jahrzehnten zuvor sind, liegt auf der Hand. In der traditionsreichen SPÖ stehen sich die Zauberlehrlinge Kreiskys nun in zwei scheinbar bis aufs Blut verfeindeten Lagern gegenüber, die anscheinend noch eine Rechnung offen haben. Das Lager der elitären Vranitzky-Boys um Ex-Kanzler Christian Kern und Thomas Drozda gegen das Lager der Realo-Fraktion rund um Christian Deutsch, seines Zeichens enger Vertrauter von Werner Faymann – Simmering gegen Kapfenberg.

Wien vor der Wende?

Dem Big Boss von Wien, Bürgermeister Michael Ludwig, war nach den niederschmetternden Ergebnissen seiner Fraktion vor allem in der Bundeshauptstadt bei den vergangenen Nationalratswahlen der Ernst der Lage bewusst. Nun stehen die Zeichen auf Veränderung bei den Genossen in ganz Österreich, denn die signifikante Umfärbung der Landkarte Österreichs in Richtung Türkis am Wahlabend des 29. September löste in den Köpfen der Parteigranden in allen Bundesländern die bekannte "Kampf-oder-Flucht"-Reaktion aus. Besagtes Phänomen beschreibt im übertragenen Sinn eine rasche körperliche und seelische Anpassung der Parteigranden an die Gefahrensituation als Stressreaktion. Zu welchen Konsequenzen diese neurobiologischen Abläufe und damit oft verbundenen Affekthandlungen führen werden, werden wir sehen. Wie man aus der Forschung weiß, kann aber zu lang andauernder Stress zu Schäden oder zum Zusammenbruch des Organismus führen. (Daniel Witzeling, 16.10.2019)

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