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Nahe den überfüllten Flüchtlingslagern in Griechenland entstehen inoffizielle Zeltstädte, etwa auf der Insel Lesbos.

Foto: AP / Petros Giannakouris

Berlin/Athen – Ohne eine gemeinsame europäische Kraftanstrengung droht nach Ansicht von des deutschen Innenministers Horst Seehofer (CSU) schon bald eine neue Flüchtlingskrise. "Wir müssen unseren europäischen Partnern bei den Kontrollen an den EU-Außengrenzen mehr helfen. Wir haben sie zu lange alleine gelassen", sagte Seehofer der "Bild am Sonntag".

"Wenn wir das nicht machen, werden wir eine Flüchtlingswelle wie 2015 erleben – vielleicht sogar noch eine größere als vor vier Jahren." Seehofer hatte vergangene Woche Gespräche mit Regierungsvertretern in Ankara und Athen geführt.

Mehr Flüchtlinge in der Ägäis

Vor der Ägäis-Insel Farmakonisi griff die griechische Küstenwache nach eigenen Angaben vom Sonntag innerhalb von 24 Stunden 85 Migranten auf. Auf der Insel Samos seien 19 Migranten angekommen. Im Westen Griechenlands hatte die Küstenwache schon am Freitag an Bord von zwei Jachten insgesamt 60 Migranten angetroffen, die allem Anschein nach auf dem Weg nach Italien waren.

Es seien drei mutmaßliche Schlepper festgenommen worden. Mit Hilfe von Schleppern versuchen Migranten nach Italien zu kommen, weil die sogenannte Balkanroute weitgehend geschlossen ist.

Die Registrierzentren auf den griechischen Inseln im Osten der Ägäis sind überfüllt. Nach Angaben des UN-Flüchtlingshilfswerks UNHCR haben in den ersten neun Monaten des Jahres mehr Migranten aus der Türkei dorthin übergesetzt (35.848) als im ganzen Vorjahr 2018 (32.494). Die "Welt" zitierte einen Bericht der EU-Kommission, wonach Griechenland bis zum Jahresende mit 25.000 weiteren Migranten rechnet.

Debatte um Aufnahmequote

Am Dienstag befassen sich die EU-Innenminister mit dem Thema Migration. Dann dürfte sich entscheiden, wie viele EU-Staaten sich dem Verteilmechanismus anschließen, auf den sich Deutschland, Frankreich, Italien und Malta im September geeinigt hatten. Er sieht feste Aufnahmequoten einzelner EU-Staaten für aus Seenot gerettete Migranten vor. Wer wo seinen Asylantrag stellen darf, soll binnen vier Wochen geklärt sein. Allerdings geht es bei der Vereinbarung nur um Menschen auf der zentralen Mittelmeerroute – damit bezeichnet man das Seegebiet zwischen Nordafrika, Malta und Italien.

Seehofer hatte angeboten, Deutschland könne jeden vierten Bootsflüchtling von dort aufnehmen. Allerdings soll die Übergangslösung nur gelten, wenn genügend Staaten mitmachen. Außerdem kann jeder Unterzeichner aussteigen, falls plötzlich deutlich mehr Boote unterwegs sein sollten. Seit Juli 2018 sind 225 aus Seenot gerettete Menschen nach Deutschland gebracht worden.

Seehofer war für seinen Vorstoß vor allem von AfD, FDP und einigen Unionspolitikern kritisiert worden. Sie warnten, Migranten und Schlepper könnten sich dadurch ermutigt fühlen. "Das C in unserem Namen gebietet, Menschen aus Seenot zu retten", sagte Unionsfraktionschef Ralph Brinkhaus (CDU) den Zeitungen der Funke-Mediengruppe (Samstag). Das andere sei die Frage, welches Signal man sende, wenn man pauschal 25 Prozent der Geretteten aufnehmen wolle. "Das war eine Initiative des Innenministers, nicht der CDU/CSU-Bundestagsfraktion. Wir werden uns die Pläne von Horst Seehofer daher sehr genau anschauen", sagte Brinkhaus.

Der zuständige EU-Kommissar Dimitris Avramopoulos wies die Kritik zurück. "Ich bin anderer Meinung", sagte Avramopoulos der Funke-Mediengruppe. Die Arbeit an Regelungen für die Ausschiffung dürfe nicht isoliert von allen anderen Bemühungen gesehen werden. "Es ist unser vorrangiges Ziel, irreguläre Ankünfte zu reduzieren, Schmuggler zu bekämpfen und die Rückführung irregulärer Migranten zu erleichtern – und ebenso, Leben zu retten und legale Wege für Schutzbedürftige zu öffnen." (APA, 6.10.2019)