Es ist ein kleiner Stich und offenbar für immer mehr Menschen ein großes Problem: Die Zahl der Impfskeptiker steigt. Dass Masern weltweit noch immer eine der häufigsten Infektionskrankheiten ist – bis Ende Juli wurden 365.000 Fälle gezählt, dreimal so viele wie im Vorjahreszeitraum -, stellt auch Jessica de Rooij und David Sieveking vor ein Dilemma: "Macht man jetzt das Beste für die anderen oder für das eigene Kind?"

Ein Widerspruch ist das nur für de Rooij. Denn anders als ihr Lebensgefährte, der Regisseur der Langzeitdoku Eingeimpft, zu sehen am Dienstag um 21.40 Uhr auf Arte, möchte die Komponistin die gemeinsame Tochter Zaria "lieber nicht" impfen.

Subjektive Sicht

Sieveking stellt den elterlichen Interessenkonflikt aus der Sicht der Nichtexperten dar. Er lotet Für und Wider der zumeist heftig geführten Debatte dem Anlass entsprechend emotional aus.

Bei seiner investigativen Recherchetour konfrontiert er sich und die Zuschauer mit Wirkungsweisen, Risiken und Nebenwirkungen zum Thema. Extrem esoterische Kreise lässt er aus, mitunter gerät aber alles doch sehr in die Nähe von Verschwörungstheorien. Nachdem der Film 2017 in den Kinos war, musste sich Sieveking viel Kritik gefallen lassen.

David Sieveking will wissen, ob er seine Tochter Zaria impfen lassen soll oder nicht. Eine Recherchetour führt ihn um die halbe Welt. Am Ende der Doku "Eingeimpft", um 21.40 Uhr auf Arte, ist er vielleicht klüger.
Foto: Arte

So erzählt zum Beispiel der Gutachter Klaus Hartmann vor laufender Kamera, dass negative Berichte über Impffolgen vom deutschen Paul-Ehrlich-Institut für Impfforschung ungern gesehen worden waren. Zusammenhänge zwischen plötzlichen Todesfällen und dem Sechsfachimpfstoff Hexavac von Sanofi Pasteur bestreite das Institut. Sieveking fragt: "Aber warum wurde der Impfstoff dann vom Markt genommen?"

Die Antwort lässt er offen. Vermutungen ließen sich nicht bestätigen. Nicht zuletzt hier geht der Regisseur unbedarft und tendenziös vor. Der Eindruck verstärkt sich beim Treffen mit einem Vertreter des Pharmakonzerns Sanofi Pasteur. Dort verhält man sich zunächst einmal verdächtig: Eine angekündigte Führung durch die Konzernwerkstätte sagt die Geschäftsführung überraschend ab. In Lyon trifft Sieveking einen Verantwortlichen, der alle Fragen eher rüde beantwortet.

Sicherheitsbedenken

Vorbehalte gegen das Impfen wurden durch das Desaster rund um Pandemrix verstärkt. Vor inzwischen zehn Jahren erhielten rund 30 Millionen Europäer den Schweinegrippe-Impfstoff. Damals gab es erhebliche Sicherheitsbedenken, wonach das Produkt voreilig Menschen verabreicht wurde. Der Impfstoff-Hersteller Glaxo Smith Kline soll brisante Informationen über Nebenwirkungen von Pandemrix ignoriert haben.

Sieveking besucht Kongresse, fühlt sich in seiner Impfverunsicherung bestätigt. Daheim läuft es unterdessen nicht rund. Einerseits weil Jessica noch immer nicht impfen will. Andererseits ist sie als Komponistin von Filmen und Serien gerade ziemlich erfolgreich. Von David hätte sie sich Unterstützung gewünscht, der hat aber gerade ein wichtiges Treffen für den Film, immer noch auf der Suche nach "seriösen Argumenten" gegen Jessicas Impfskepsis.

Hepatitis C? Sicher nicht

Die nimmt mittlerweile nämlich größere Ausmaße an: Hepatitis C? Jetzt sicher nicht, deshalb muss David im Sandkasten des öffentlichen Spielplatzes nach Fixernadeln suchen. Das kann er machen, aber wie ist es mit Tetanus, Diphtherie und Keuchhusten?

Zudem würden bei jeder Impfung Aluminiumsalze in den Körper gespritzt, bringt Jessica vor. Daraus könnten Autoimmunerkrankungen entstehen. Angst und Unsicherheit der Eltern werden nicht kleiner, als sich weiterer Nachwuchs ankündigt. "Es ist ein Unterschied, ob Sie sich nicht impfen wollen oder ob Sie Ihrem Kind einen möglichen Schutz vor irgendetwas Bedrohlichem verweigern", gibt der Virologe Johann Leide zu bedenken.

Treffen mit Anthropologen

Den Wendepunkt bringt schließlich ausgerechnet ein Treffen mit dem Anthropologen Peter Aaby im westafrikanischen Guinea-Bissau. Aaby erforscht Auswirkungen von Impfstoffen und argumentiert, dass Masern- und Pockenimpfstoff die stärksten Immunstimulanzien seien. Seine Empfehlung: Lebendimpfstoffe weiterzuentwickeln, selbst wenn die Krankheiten ausgerottet sind, Totimpfstoffe allerdings zu vermeiden. Spätestens jetzt werden Schulmediziner laut aufschreien.

Am Ende lässt sich Jessica – etwas überraschend – überzeugen. "Wir machen das jetzt so, weil du das recherchiert hast", sagt sie. Das ist gleichzeitig der Rat an alle Unentschlossenen: sich zu informieren und nicht aufzuhören zu fragen. (Doris Priesching, 8.10.2019)