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Der 44-jährige Albin Kurti wird wohl neuer Premier im Kosovo.

Foto: Reuters / Florion Goga

Prishtina – Es ist eine Ironie der Geschichte, dass Präsident Hashim Thaçi nun ausgerechnet seinem größten Kritiker Albin Kurti den Auftrag zur Regierungsbildung geben muss. Kurti hat unter anderem angekündigt, dass er, wenn er Premier wird, die Amtsenthebung von Thaçi vorantreiben wird.

Am Sonntag gewann im Kosovo die linksnationalistische Vetëvendosje (VV) mit 25,6 Prozent knapp vor der konservativen Demokratischen Liga Kosovos (LDK), die auf 24,9 Prozent der Stimmen kam, die Parlamentswahlen. Die beiden jetzigen Oppositionsparteien werden voraussichtlich eine Regierung bilden, die es in dieser Form noch nie im Kosovo gegeben hat.

Denn die VV von Albin Kurti galt jahrelang als nicht salonfähig, weil sie sich nicht von den Vertretern der Internationalen Gemeinschaft dirigieren ließ, weil sie rabiate Oppositionspolitik machte und gewaltsame Mittel einsetzte – etwa Tränengas im Parlament, um Abstimmungen zu verhindern.

Ton stark gezügelt

Kurti war der Gottseibeiuns des kosovarischen Establishments. Nun hat er seinen Ton stark gezügelt, der Wunsch, Großalbanien zu verwirklichen, ist ganz nach hinten gerückt, und kurz vor der Wahl besuchte er sogar die Gedenkstätte für den Ex-Präsidenten Ibrahim Rugova – einen Politiker, der im Gegensatz zu Kurti sehr moderat war. Rugova war zudem einer der Gründer der LDK, mit der Kurti nun regieren will.

Die Spitzenkandidatin der LDK Vjosa Osmani kündigte noch am Wahlabend an, dass sie versuchen werde, mit der VV zusammenzuarbeiten. Für Osmani ist das Wahlergebnis durchaus zufriedenstellend, und die 37-jährige Völkerrechtlerin wird es deshalb leichter haben, sich innerhalb der Partei gegen die "alten Männer" durchzusetzen. Die LDK war zwar immer eine staatstragende Partei, verwickelte sich aber immer tiefer in Postenschacher und Korruption. Damit will Osmani nun aufräumen, und für Kurti ist die Einführung von Rechtsstaatlichkeit, die Reform der Justiz und der Polizei ohnehin Thema Nummer eins. Deswegen hat er auch die Wahlen gewonnen. Die Kosovaren haben am Sonntag die alte Garde der Kosovo-Befreiungsarmee UÇK abgewählt – die PDK rutschte auf 21 Prozent der Stimmen, die Nisma flog sogar aus dem Parlament.

Die Botschaft ist klar: Die Kosovaren wollen Transparenz statt Vetternwirtschaft. Albin Kurti hat vor allem das junge, gebildete, urbane Publikum hinter sich. In der Wahlnacht, als in Prishtina seine Anhänger mit einem Feuerwerk feierten, zeigte er sich moderat und sprach davon, dass er "unsere Republik" stärken wolle. Von Großalbanien war da nicht mehr die Rede.

Radikalität neutralisieren

Gerade weil die LDK fast gleichauf mit ihm liegt, wird sie zudem die radikalen Ansätze der VV besser neutralisieren können. Die VV beansprucht das Justiz-, Innen- und Finanzministerium für sich, die LDK wird wohl Wirtschaftspolitik und Außenpolitik machen.

Wenig erfreut zeigte sich der serbische Präsident Aleksandar Vucic vom Wahlsieg Kurtis. Die von Vucic kontrollierte serbische Partei Srpska Lista bekam in den vorwiegend von Serben bewohnten Dörfern über 90 Prozent der Stimmen. Vucic sprach von einem "10:0 Sieg". Tatsächlich zeigt das Ergebnis, wie sehr er und seine Partei in der Lage sind, die kosovarischen Serben zu kontrollieren. (Adelheid Wölfl, 7.10.2019)