So sehr sich die Politik bemüht die Einkommen zu beeinflussen, die Aufs und Abs an den Märkten prägen Vermögenskonzentration viel stärker.

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Nach tristen Jahren infolge der Finanz- und Eurokrise erlebte die deutsche Wirtschaft einen fulminanten Aufschwung, der sich nun dem Ende zuneigt. Unterm Strich sind die Deutschen gut ausgestiegen: Das Nettovermögen ist seit 2012 um mehr als 20 Prozent gewachsen, ohne dass die Ungleichheit zunahm, wie eine jüngst präsentierte Studie des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) zeigt.

Demnach besaßen die reichsten zehn Prozent 2017 zwar mehr als die Hälfte des gesamten Vermögens (56 Prozent). Aber die Vermögensungleichheit verharrte in den letzten zehn Jahren auf diesem Niveau, sagt Studienautor Markus Grabka. Im internationalen Vergleich bleibt Deutschland jedoch weiterhin im Spitzenfeld bei der Vermögenskonzentration.

Ein Blick nach Österreich zeigt fast das gleiche Bild. Laut der jüngsten Erhebung der Oesterreichischen Nationalbank (OeNB) besitzen die reichsten zehn Prozent ebenfalls 56 Prozent des Gesamtvermögens. Die ärmere Hälfte verfügt über lediglich 3,6 Prozent. In Deutschland sind es nur 1,3 Prozent. Je nach Perspektive sprechen diese Zahlen für akuten Handlungsbedarf oder für ein funktionierendes soziales Netz.

Häuser statt Aktien

Seitens der Arbeiterkammer etwa wird der mangelnde Fortschritt in Richtung geringerer Vermögensungleichheit kritisiert. In der Industriellenvereinigung verweist man darauf, dass die Entwicklung trotz gesamtwirtschaftlicher Turbulenzen dank des Sozialstaats stabil sei. Ein staatliches Sicherheitsnetz ersetze demnach privates Vermögen als Vorsorge fürs Alter und Notfälle.

Anders ausgedrückt: Wer eine sichere Pension bezieht und im Gemeindebau miete, muss nicht die eigenen vier Wände besitzen, um finanziell abgesichert zu sein, wie das etwa in der Slowakei, Ungarn oder Spanien der Fall ist. Während in Deutschland und Österreich weniger als die Hälfte der Haushalte ein Eigenheim besitzen, sind es in den genannten Ländern rund 80 Prozent.

Die Konzentration beim Immobilienbesitz auf die reichere Hälfte der Bevölkerung ist hierzulande ein wesentlicher Treiber der Ungleichheit. Wie die OeNB festhält, tanzt Österreich hier international aus der Reihe: Denn in den meisten Ländern sind Finanzvermögen stärker konzentriert als andere Vermögensarten wie eben Immobilien. In Österreich ist der Besitz von Häusern, Wohnungen und Grund hingegen ähnlich wie der von Aktien oder Fonds auf die oberen 50 Prozent beschränkt.

Auch in Deutschland spielt Immobilienbesitz eine wesentliche Rolle bei der Vermögensverteilung. Das hat weitreichende Konsequenzen für den politischen Handlungsspielraum.

Politik bewirkte wenig

Eine Studie der Politikwissenschafterin Alison Johnston von der Oregon State University und Kollegen legt nahe, wie wenig die Politik bisher die Vermögensverteilung beeinflusst hat. Dazu untersuchten die Forscher das Verhältnis von Einkommen und Vermögen für eine Reihe von Industriestaaten seit 1970. Dieses Maß sei angesichts der schwierigen Datenlage robuster als die Erhebung von Vermögen nach Haushalten.

Obwohl viele Regierungen seither entweder üppige Sozialsysteme aufbauten oder Transferleistungen strichen, hatten die Maßnahmen kaum Einfluss auf das Verhältnis von Vermögen zu Einkommen. Zwar hat sich die Situation bei den Einkommen deutlich verändert, doch verblasst dieser Effekt gegenüber den Schwankungen an den Immobilien- und Aktienmärkten.

Beim DIW rät man der Politik, den Aufbau von Vermögen für die untere Hälfte der Bevölkerung direkt zu fördern. Dagegen raten die alles andere als neoliberalen DIW-Ökonomen dezidiert von einer Vermögenssteuer ab, wie sie etwa im jüngsten Wahlkampf von der SPÖ gefordert wurde.

Ihre Begründung: Vermögenssteuern würden an der Verteilung kaum etwas ändern. Die Reichsten würden ins Ausland fliehen, bevor sie ordentlich zur Kasse gebeten werden. Seitens der Befürworter solcher "Reichensteuern" lässt man solche Argumente nicht zählen. Eine Vermögenssteuer wäre "essenziell für die Verringerung der gesellschaftlichen Ungleichheit", meint AK-Chefökonom Markus Marterbauer. Vor allem würde sich dadurch die Datenlage eklatant verbessern. Erst dann ließen sich die Konsequenzen abschätzen. (Leopold Stefan, 8.10.2019)