Wojciechowski bei seinem Hearing am 8. Oktober.

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Brüssel/Straßburg – Ende der Zitterpartie für zwei Wackelkandidaten im Team der nächsten EU-Kommission: Das Europaparlament bestätigte am Dienstag im zweiten Anlauf den als Landwirtschaftskommissar vorgesehenen polnischen Kandidaten Janusz Wojciechowski von der nationalkonservativen Regierungspartei PiS. Auch die designierte Innenkommissarin, die schwedische Sozialdemokratin Ylva Johansson, nahm die Hürde.

Wojciechowski hatte den Agrarausschuss Ende September nicht überzeugt, er war viele Antworten schuldig geblieben. Am Dienstag fielen seine Antworten hingegen konkreter aus. Der designierte Agrarkommissar erklärte bei seiner zweiten Anhörung, Landwirte könnten mit EU-Hilfen im Zuge des Handelsstreits mit den USA rechnen. Außerdem dürften die europäischen Bauern nicht Opfer neuer Handelsabkommen werden. Er wolle vor dem Abschluss neuer Abkommen darauf achten, dass Zollkontingente vereinbart werden, die nicht die europäische Landwirtschaft schädigen.

"Er hat mir auf Nachfrage versprochen, Kampfgeist zu zeigen und sich für die Interessen von uns Landwirtinnen und Landwirten einzusetzen. Ob er der geeignete Partner für uns sein wird, bleibt aber abzuwarten", sagte die ÖVP-Europaabgeordnete Simone Schmiedtbauer.

Schriftlich nachgereichte Antworten

Johansson musste gar nicht mehr ein weiteres Mal vor dem Innenausschuss erscheinen. Die EU-Abgeordneten zeigten sich mit den schriftlich nachgereichten Antworten zufrieden. Die Schwedin hatte bei ihrem ersten Hearing die Notwendigkeit einer Asylreform betont. "Scheitern ist in diesem Fall keine Option", sagte sie. Mit der neuen EU-Kommission gebe es nun neuen Schwung. Auch sie war aber einige Antworten zunächst schuldig geblieben.

Der als Kommissionsvizepräsident für Wirtschaft und Soziales vorgesehene Lette Valdis Dombrovskis will die wirtschaftliche Souveränität der EU stärken. "Wir können nicht 'business as usual' machen", erklärte Dombrovskis am Dienstag bei seinem Hearing angesichts der notwendigen Entwicklung hin zu einer klimaneutralen und digitalen Wirtschaft sowie des Schutzes "der für Europa typischen" sozialen Marktwirtschaft.

Die Welt sei multipolarer geworden, Konfrontationen und Handelsspannungen nähmen zu. "Das zeigt sich bereits negativ bei der Entwicklung der Weltwirtschaft", sagte er bei seiner Anhörung vor dem Europaparlament in Brüssel. Ein No-Deal-Brexit würde "weitere Schäden verursachen". Des weiteren nannte der 48-jährige Konservative den Klimawandel und die demografische Veränderung in Europa als Gründe, um sich über "wirtschaftlich und sozial nachhaltige Komponenten" Gedanken zu machen.

Dombrovskis will die Wirtschaft so gestalten, dass sie "für alle Menschen funktioniert" und sicherstellen, dass Industrie und Wirtschaft die Grüne und Digitale Veränderung – die EU soll bis 2050 der erste klimaneutrale Kontinent werden – mitmachen. Die Sozialpolitik müsse diese Veränderung begleiten, erklärte er. SPÖ und Grüne erwarten sich von Dombrovskis konkrete Maßnahmen. "Eine Wirtschaft, die endlich für alle funktioniert, muss den unfairen Steuerwettbewerb beenden", forderte die SPÖ-Europaabgeordnete Evelyn Regner. Nach Ansicht des Vizepräsidenten des EU-Parlaments, Othmar Karas (ÖVP), überzeugte Dombrovskis bei der Anhörung.

Über Kommission wird am 23. Oktober abgestimmt

Die gesamte Kommission muss sich am 23. Oktober einem Votum des EU-Parlaments stellen. Erst wenn sie vom Parlament bestätigt ist, kann sie am 1. November die Amtsgeschäfte aufnehmen.

Unterdessen könnte Rumänien die Bildung der neuen Kommission verzögern. Wie rumänische Medien am Dienstag berichteten, will die designierte Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen den Ausgang der für Donnerstag geplanten Misstrauensabstimmung gegen die Minderheitsregierung unter Ministerpräsidentin Viorica Dăncilă (Postkommunisten) abwarten, bevor sie weitere Schritte bezüglich des rumänischen Kommissarsanwärters unternimmt. Die erste Kandidatin Rovana Plumb war zuletzt vom Rechtsausschuss des EU-Parlaments wegen finanzieller Unregelmäßigkeiten in ihrer Heimat abgelehnt worden. (APA, 8.10.2019)