Was im Restaurant auf den Tisch kommt, ist das eine. Worauf man beim Essen sitzt, das andere. Vier Wiener Gastronomen und Köche erzählen, warum der Stuhl im Gasthaus eine so wichtige Rolle spielt.

Der aus Deutschland stammende Spitzenkoch Sören Herzig mit seinem Mittags- (oben) und Abendsessel. Beide Entwürfe stammen von dem in Wien arbeitenden Designer Marco Dessi.
Foto: Nathan Murrell

Bevor wir im Frühjahr das Restaurant im ehemaligen Dorotheum Fünfhaus aufgesperrt haben, sind meine Frau Saskia und ich eine ganze Weile durch Wien gewandert und haben Shops und Showrooms besucht. Es waren bestimmt 100 Stühle, auf denen wir probegesessen sind. Manche von ihnen hatten wir auch zum Ausprobieren bei uns zu Hause, wo wir übrigens auf ganz einfachen Ikea-Teilen sitzen. Man muss allerdings sagen, dass wir nicht besonders viel zu Hause sind. Das Restaurant hält uns ganz schön auf Trab.

Neben dem Licht ist das Sitzmöbel in einem Restaurant absolut das Wichtigste, das A und O. Mit dem falschen Stuhl riskiere ich, dass manche Gäste nicht wiederkommen. Picken geblieben sind wir letztlich auf dem Stuhl "Mono" von dem in Wien lebenden Designer Marco Dessi, der auch schon für Firmen wie Lobmeyer oder Augarten-Porzellan gearbeitet hat. Produziert wird das Stück in der XL-Version von den Wittmann Möbelwerkstätten. Es war sehr hilfreich, dass ich den Designer schon vorher gekannt hatte.

"Wir haben einen Mittags- und einen Abendsessel."

Es war sehr spannend, mit ihm über Bestuhlung zu sprechen, denn man lernt viel über Design als interaktiven Prozess im Gegensatz zur bloßen Oberflächenbehübschung. Apropos Oberfläche: Die Bespannung wirkt wie Samt, besteht aber aus einer Kunstfaser. Als wir im Showroom waren, hat eine Verkäuferin ein Glas Wasser über den Stuhl geleert und einfach weggewischt. Das ist natürlich in der Gastronomie ein Supervorteil.

Hin und her rutschen

Der Stuhl ist gemütlich und strahlt die richtige Stufe Eleganz aus. Wir wollten, als wir ihn ausprobierten, gar nicht mehr aufstehen, und das ist doch die Idealvoraussetzung für ein Restaurantmöbel. Auch das Feedback von den Gästen ist sehr gut, zum Beispiel meinen korpulentere Menschen, dass sie selten so gut in einem Restaurant gesessen seien. Er passt aber auch für Schlanke sehr gut. Er lässt alle gut runterkommen. Das Schlimmste ist, wenn die Leute auf ihren Stühlen hin und her rutschen.

Es gibt von Marco Dessi auch einen zweiten Streich in unserem Lokal. Es handelt sich dabei um seinen neuesten Entwurf. Er heißt "Dakar", ist stapelbar und funktioniert drinnen wie draußen. Es ist unser "Mittagsstuhl" und passt besser zu unserem Mittagstischkonzept, bei dem statt Fine Dining Bodenständigeres auf den Tisch kommt. In unserem Haus gibt es sehr viele Kreative, die hier ihre Büros haben und zu uns zum Lunch kommen. Dafür ist der Stuhl perfekt. Am Abend würde man ihn wohl kaum akzeptieren. Da gäbe es bestimmt Beschwerden. Also ich würde die Sessel für den Abend nicht gegen die Mittagsstühle eintauschen wollen. Außerdem würden die Mittagsgäste viel länger sitzen bleiben, wenn wir ihnen die Abendstühle hinstellten.

Wir finden einfach diesen Kontrast cool. "Dakar" wirkt auf den ersten Blick kalt und ungemütlich. Setzt man sich drauf, erfährt man das Gegenteil, eine echte Überraschung. Er gibt nach und ist echt ein faszinierendes Stück, das aus einem Stück Metall gebogen wird. Es gibt keine Schrauben, keine Schweißnähte. Ein Kunstobjekt, auf dem man sitzen kann. Und noch etwas: Wir stehen auf runde Tische. Mir kommen nur runde Tische ins Haus. Die sind einfach kommunikativer und bieten mehr Platz im Raum. Sie lassen die Atmosphäre lockerer und weiter erscheinen. (Michael Hausenblas, Rondo, 13.11.2019)