Bekommt von seinen Kunden Lob für seine offene, transparente Arbeit: Uhrmachermeister Levan Martiashvili.

Foto: Nathan Murrell

Es gibt Dinge, mit denen man im Atelier eines Uhrmachers nicht rechnet. Kinderstühle zum Beispiel. Deshalb fallen die beiden bunten Exemplare oben auf der Galerie in der Werkstätte von Levan Martiashvili auch sofort auf. Darauf angesprochen, meint er schmunzelnd: "Zurzeit gibt es nur zwei Dinge, die mich voll und ganz in Anspruch nehmen: die Uhrmacherei und meine Tochter." Die Kleine begleitet ihren Papa manchmal in den Laden, wenn er am Ausbau seiner Werkstatt arbeitet oder neue Geräte aufbaut. Und weil das für eine Zweijährige klarerweise schnell langweilig wird, hat ihr der selbstständige Uhrmachermeister eine Kinderecke mit allerlei Spielzeug eingerichtet.

Seit einem Jahr betreibt Martiashvili, Jahrgang 1982, sein rund 120 Quadratmeter großes Atelier in der Porzellangasse im neunten Wiener Gemeindebezirk. Wer nicht genau schaut, geht leicht daran vorbei, trotz der hohen, aber eben weitgehend undekorierten Schaufenster. Vitrinen mit teuren Uhren darin sucht man vergeblich.

Begeisterung

Martiashvili ist, wenn man so will, ein Spätberufener: 2005 kam der gebürtige Georgier nach Österreich, ursprünglich, um IT zu studieren. "Das war nichts für mich", befindet er rückblickend. Grundsätzlich habe er sich schon immer für Uhren interessiert. Aber zur Uhrmacherei selbst sei er über einen Freund gekommen, der ihn nach Karlstein ins Waldviertel mitnahm.

Dort, an der altehrwürdigen Fachschule, werden seit 1875 Uhrmacher ausgebildet. "Ich war sofort begeistert", schildert er. "Die Schüler in weißen Arbeitsmänteln haben ganz still und hochkonzentriert gearbeitet. Das war cool. Ich dachte mir: Genau das will ich jetzt machen." Damals war er 25, vier Jahre später war er Meister. Es folgten Stationen bei Juwelieren und Uhrmacherbetrieben in Wien.

Transparenz

Eine lehrreiche Zeit, im Positiven wie im Negativen. So habe er festgestellt, dass Kunden das Vertrauen in den Uhrmacher verloren hätten. "Wenn man seine Uhr zum Service bringt, gibt man sie ab, was dann passiert, bleibt im Verborgenen. Man sieht nicht, was mit ihr geschieht, beschreibt er die aus seiner Sicht unbefriedigende Situation. "Die Juweliere können sich Top-Werkstätten, Labore und Fachleute leisten, nur sieht der Kunde das nicht." Daher sein Entschluss, es als Selbstständiger anders zu machen.

Transparenz liegt ihm am Herzen. "All diese Geräte", sagt er und deutet in den hinteren Bereich seines Ateliers, "hätte ich auch hinter einer Wand verstecken können. Aber das wollte ich nicht: Ich möchte meinen Kunden zeigen, welche Möglichkeiten ich habe und wie ich ihre Uhren behandle." Denn die Uhr sei nicht nur ein Zeitmessgerät, sie zeige die Persönlichkeit ihres Trägers. Sie sei eine alltägliche Begleiterin, die man hegt und pflegt und nutzt. Kurz: Die Uhr ist ein emotional aufgeladenes Produkt. Ohne seine Uhr, gibt der Uhrmachermeister mit einem Augenzwinkern zu, fühle er sich regelrecht nackt.

Offenheit

Martiashvili tritt an seinen Uhrmachertisch, der prominent in der Mitte der Werkstatt steht, und zeigt auf eine zerlegte Omega, halb zu sich sagt er: "Es ist faszinierend: In einem kleinen Gehäuse arbeiten winzige Teile harmonisch zusammen." Um dann fortzufahren, dass neuere Uhren manchmal schon so gebaut würden, dass sie nur noch von wenigen Spezialisten vor Ort in der Schweiz serviciert werden können.

"Die Marken machen es komplizierter für den Kunden, aber auch für die unabhängigen Uhrmacher. Der Kunde leidet darunter: Er kauft sich die Uhr um teures Geld, trägt sie eineinhalb Jahre, bringt sie zum Service und muss dann ein halbes Jahr darauf warten, bis er sie wiederbekommt. Ich finde das nicht fair." Deshalb sein Motto: Offenheit. Aus diesem Grund nimmt er meist nur solche Uhren zum Service an, die er vor Ort reparieren kann.

Kein Zwang

Er öffnet die Uhr auf Wunsch vor den Augen seiner Kunden ("Viele sind erstaunt, wie komplex ein Uhrwerk ist"), stellt eine erste Diagnose, bespricht das weitere Vorgehen, dokumentiert jeden Schritt für den Besitzer. Das scheint gut anzukommen – was man an der Zahl der Zeitmesser sehen kann, die sich im Hintergrund auf einem Uhrenbeweger drehen. Es sind rund 15 Stück. Allesamt Uhren namhafter Hersteller.

Bei genauerer Betrachtung sind es Modelle, die schon das eine oder andere Jährchen auf dem Buckel haben. Martiashvili: "Ich habe mich auf Vintageuhren spezialisiert, denn hier besteht kein Zwang mehr, den Zeitmesser einzuschicken." Er könne fehlende Teile entweder selbst anfertigen, verbessern oder eben auch besorgen. Aufs Stichwort nimmt er ein Schächtelchen mit Ersatzteilen aus einem fein säuberlich sortierten Regal. Er sei immer auf der Suche nach "Organspendern", also gebrauchten Uhren und Werken, erzählt er. Diese findet er auf Ebay, Willhaben oder auf Flohmärkten.

Mundpropaganda

"Bei modernen Uhren ist man diesbezüglich sehr eingeschränkt", schildert Martiashvili. Siliziumteile zum Beispiel, die in den letzten Jahren Einzug in den Uhrenbau gehalten haben, könne man nicht mehr reparieren, man müsse sie komplett ersetzen. Eine klassische Breguet-Spirale aus Metall ließe sich noch biegen, justieren ... "Klassisch hergestellte Zeitmesser wird man immer reparieren können", hält er fest.

Mundpropaganda und gute Kontakte in die Sammlerszene sorgen für volle Auftragsbücher. Was aber macht ein Uhrmacher in seiner Freizeit? "Radfahren, schwimmen, kochen ... zumindest früher einmal", sagt er mit Blick auf die Galerie und die Kinderstühle. In Gedanken ist er jetzt bei seiner Tochter. "Sie ist ein sehr aufgewecktes Kind", sagt er stolz, um dann lächelnd festzustellen: "Ruhe finde ich bei der Arbeit." (Markus Böhm, RONDO, 1.02.2020)